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No.1<br />

Aus. Doch ich wollte weitermachen, mit dem,<br />

was ich gerade gelernt hatte, und was mir Halt<br />

gab und mich jetzt glücklich machte. Ich beschloss,<br />

mich mit meiner eigenen kleinen Chocolaterie<br />

selbstständig zu machen. Ich hatte<br />

wieder Glück und fand schnell diesen Laden.<br />

Das ist jetzt zehn Jahre her. Hattest du Anlaufschwierigkeiten?<br />

Überhaupt nicht, die Kunden kamen vom<br />

ersten Tag an. Dabei hatte ich wirklich riesige<br />

Angst, dass es nicht funktionieren könnte.<br />

Gleichzeitig war ich glücklich. Ich schuftete<br />

zum Teil 50 bis 60 Stunden in der Woche und<br />

habe es geliebt. Das ist es: In dem Moment zu<br />

lieben, was man tut. Selbst wenn man müde<br />

und erschöpft ist. Und ich bekam sofort so viel<br />

zurück an Begeisterung für diesen Laden, für<br />

meine Idee von Schokolade. Seit der französische<br />

Film „Chocolat“ mit Juliette Binoche<br />

und Johnny Depp herauskam – entdecken die<br />

Menschen überall ihre Lust auf Schokolade<br />

und sind neugierig…<br />

Du hattest mit deiner kleinen Chocolaterie<br />

also den Nerv der Zeit getroffen. Und dazu<br />

siehst du Juliette Binoche auch noch sehr<br />

ähnlich…<br />

Sie ist eines meiner großen Vorbilder, ich mag<br />

ihre ganze Art, ihre Emotionalität. Und der Film<br />

„Chocolat“ hat wirklich so wunderbar widergespiegelt,<br />

was Menschen mit Schokolade verbinden.<br />

Auch wenn er wie ein Klischee daher<br />

kommt, gibt es doch Parallelen, die sich auch<br />

in meinem Schokoladenleben wieder finden...<br />

Was ist für dich das Geheimnis guter Schokolade?<br />

Die Qualität der Rohstoffe ist absolut wichtig.<br />

Und natürlich die Handarbeit. Je länger du<br />

die Schokolade beim Schmelzen rührst, desto<br />

mehr wird sie "belüftet" und desto feiner wird<br />

der Geschmack. Das ist es ähnlich wie bei guten<br />

Weinen, bei Käse...<br />

Auf welche Kreationen bist du besonders<br />

stolz?<br />

Ich experimentiere gerne - mit Gewürzen,<br />

ätherischen Ölen, Blütenessenzen… Der Phantasie<br />

sind da keine Grenzen gesetzt. Da kommt<br />

immer wieder etwas Ungewöhnliches heraus.<br />

So gibt es bei mir auch Schokolade mit Rosenessenz,<br />

mit Curry oder Ziegenkäse. Ich liebe<br />

auch unsere Sonderanfertigungen nach speziellen<br />

Kundenwünschen: Als Geschenk für einen<br />

Professor aus dem Berliner Krankenhaus<br />

Charité schufen wir zum Beispiel ein Seepferdchen-Mikroskop,<br />

für einen anderen Kunden<br />

ein Marzipan-Lama und für Udo Jürgens<br />

einen Fagottspieler!<br />

Mittlerweile gibt es gerade in Großstädten<br />

viele Chocolaterien. Beobachtest du die Konkurrenz<br />

oder rührt jeder in seinen eigenen<br />

Töpfen?<br />

Ich freue mich über jeden einzelnen Mitstreiter<br />

– es kann gar nicht genug geben! Jeder Neuzugang<br />

prägt die Schoko-Kultur in Deutschland<br />

und baut sie mit auf, das ist enorm wichtig.<br />

Und jeder arbeitet auf unterschiedliche Art<br />

und Weise, hat seine eigenen Fans. Ich fühle<br />

einfach eine große Sympathie zu Leuten, die<br />

dieses Handwerk lieben und es ausüben. Und<br />

tausche mich auch unheimlich gerne mit Köchen<br />

aus.<br />

Du hast jetzt sicher viele junge Leser inspiriert.<br />

Was sollten sie bei Schoko-Experimenten<br />

zu Hause beachten?<br />

Bloß keine Berührungsängste! Zuallererst ist<br />

es ein Handwerk, die Grundregeln sind wirklich<br />

simpel. Als Einstieg eignen sich Tutorials<br />

auf Youtube wunderbar. Darüber hinaus findet<br />

man so viele schöne Rezepte und wertvolle<br />

Herstellungs-Tipps im Internet. Wer sich<br />

ernsthaft interessiert, sollte dranbleiben und<br />

nach Ausbildungsstätten forschen.<br />

Wie ist denn der klassische Weg zur Chocolatière<br />

oder zum Chocolatier?<br />

Das ist in Deutschland ganz klar eine Ausbildung<br />

zum Konditor und Patissier. Am besten<br />

in einem guten Hotel oder tollen Restaurant<br />

mit einer eigenen Patisserie. Als Krönung<br />

könnte man danach noch ins Ausland gehen<br />

und in Belgien oder Frankreich an eine der berühmten<br />

Chocolatier-Schulen gehen.<br />

Was sind neben Lust auf Schokolade die<br />

wichtigsten Voraussetzungen für diesen Beruf?<br />

Leidenschaftlich Schokolade zu essen allein<br />

reicht nicht (...lacht)! Du solltest gerne zeichnen,<br />

backen und dekorativ arbeiten können.<br />

Und eine positive Einstellung zum Leben solltest<br />

du auch mitbringen: Mit schlechter Laune<br />

kannst du nämlich Süßes gar nicht richtig<br />

schmecken…<br />

TEXT Katharina McKechnie<br />

FOTO Nadya-Vanessa Gruber<br />

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