ME2BE_01_2013_Sued
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No.1<br />
Wer denkt, handgemachtes Brot sei mittelalterlich,<br />
verstaubt und hätte keinen Platz<br />
neben Backfactory und Co., ist selber von gestern.<br />
Traditionelles Handwerksgewerbe – und<br />
dazu zählt auch die Holzofenbäckerei – erfährt<br />
heute eine Renaissance und macht Spaß.“<br />
Das sagt Andreas Vorbeck (36), eigentlich Diplom-Betriebswirt,<br />
der vor zehn Jahren in den<br />
Kieler Familienbetrieb „Der Holzofenbäcker“<br />
einstieg, den einst sein Großvater gründete. Er<br />
ist stolz auf das Werk seiner Vorfahren und lebt<br />
den Job mit vollem Eifer. Er mahlt das Getreide<br />
von Hand, fertigt den Sauerteig nach alter Tradition,<br />
hackt wöchentlich eine Tonne Eichenholz,<br />
um den Ofen einzuheizen und backt in<br />
der Woche etwa 500 handgeformte Brote. Sein<br />
Tag beginnt mit Feuermachen und der Herstellung<br />
des Brotteiges aus Sauerteig, Mehl, Salz<br />
und Wasser. Die hergestellte Masse portioniert<br />
er auf einer alten Waage mit Gewichtsteinen<br />
sowie einem Maurerspachtel und formt die<br />
Brote frei auf Buchenbrettern. Dort reifen sie<br />
je nach Luftdruck und Temperatur vier bis fünf<br />
Stunden. „Das hat man irgendwann im Gefühl,<br />
denn wir arbeiten weder mit Klimatechnik<br />
noch mit Lebensmittelchemie. Ich weiß nicht<br />
einmal genau, wie heiß der Ofen ist“, erzählt<br />
Vorbeck von seinen Erfahrungen. Wenn das<br />
Feuer im Ofen heruntergebrannt ist, zieht er<br />
sich Asbesthandschuhe an und fegt die Asche<br />
mit einem Besen aus dem etwa fünf Meter tiefen<br />
Herd. „Das ist anstrengend. Für die Arbeit<br />
braucht man bestimmte körperliche Voraussetzungen“,<br />
sagt Vorbeck. Er verfrachtet die Brote<br />
mit einem Holzschieber direkt auf die heißen<br />
Steine. Dort backen sie eine Stunde. Doch<br />
wenn man alle Stufen der Herstellung zusammenzieht,<br />
braucht das Traditionsbrot drei Tage,<br />
bis es verkauft werden kann. Jedes einzelne<br />
Brot sieht anders aus und schmeckt auch anders.<br />
Daher bekommt er von seinen Kunden<br />
Rückmeldungen wie „zu salzig, zu dunkel, zu<br />
hell“, aber auch „War das lecker! Wir haben das<br />
ganze Brot an einem Abend gegessen!“<br />
Der Kieler Holzofenbäcker verwendet ausschließlich<br />
Biozutaten aus der Region. Auch<br />
deswegen ist er Mitglied bei FEINHEIMSICH,<br />
dem Verein für regionale Ess- und Kochkultur,<br />
für den Frische und Qualität Priorität haben.<br />
Vorbeck denkt sich gemeinsam mit seinen<br />
Gastronomie-Kunden „neue alte“ Brotrezepte,<br />
wie zum Beispiel Honig-, Kartoffel- oder Tomatenbrot<br />
aus.<br />
Ihr Beruf vereint Innovation und Tradition.<br />
Hat das wirklich eine Zukunft und kann man<br />
davon leben?<br />
Vorbeck: Ja, man macht ja nicht 300 Sonnenblumenbrote,<br />
sondern nur dreißig oder zehn.<br />
Die muss man dann zu einem Preis verkaufen,<br />
der einem Handwerksprodukt entspricht. Meine<br />
Kunden sind bereit, Geld für Qualitätsprodukte<br />
aus Handarbeit auszugeben. Und auch<br />
ein junger Mensch, der in einer Holzofenbäckerei<br />
arbeitet, kann davon leben. Generell ist<br />
die Aussage: Wann immer man versucht, etwas<br />
richtig gut zu machen, wird man jemanden finden,<br />
der das wertschätzt. Ob man nun Bilder<br />
malt, Türen baut oder eben – wie ich – Brote<br />
backt.<br />
Und wie werde ich Holzofenbäcker?<br />
Vorbeck: Mein Vater hat früher als normaler<br />
Bäcker ausgebildet. Das war vorbei als er Holzofenbäcker<br />
wurde. Das, was wir in der Holzofenbäckerei<br />
machen, ist ein kleiner Teilbereich<br />
der Bäckerei und so speziell, dass es nicht für<br />
einen Ausbildungsbetrieb reicht. Man müsste<br />
in einer „normalen“ Bäckerei eine Ausbildung<br />
machen und dann bei uns zusätzlich das lernen,<br />
was im modernen Bäckerhandwerk nicht mehr<br />
üblich ist. Aber wenn jemand Bäcker werden<br />
will, dann soll er es nicht einfach nur „werden“<br />
– also nicht, weil er sein Geld verdienen muss,<br />
sondern weil er den Beruf einfach auch liebt<br />
und Spaß daran hat, sich etwas Tolles auszudenken.<br />
Was macht Sie glücklich an Ihrem Job?<br />
Vorbeck: Mich macht es glücklich, mit Händen,<br />
Erfahrung und Geschick etwas herzustellen,<br />
was später auf dem Brotschieber liegt<br />
– und Leute kommen und finden das toll. Es ist<br />
immer wieder ein gutes Gefühl, wenn die Brote<br />
aus dem Ofen kommen. Und es ist eine Freude<br />
mit meinem Vater zusammenzuarbeiten. Eine<br />
Familie, so wie sie früher funktionierte, hat<br />
durchaus ihren Wert. Ich möchte das Handwerk<br />
und den Familienbetrieb, also das weiterführen,<br />
was meine Vorfahren sich ausgedacht<br />
haben – eben genauso Brot zu backen wie vor<br />
hundert Jahren. Dieses Einzigartige möchte ich<br />
nicht aussterben lassen.<br />
TEXT Sina Clausen<br />
FOTOS Andreas Vorbeck<br />
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