ME2BE_01_2013_Sued
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FEBRUAR 2<strong>01</strong>3<br />
Interview mit Esther Kempa, „Estrella’s Chocolaterie“<br />
Mit ihrem Laden „Estrella’s Chocolaterie“ in Berlin hat sich Ex-Balletttänzerin und Chocolatière<br />
Esther Kempa einen Traum erfüllt. In „THE NØRD TIMES“ erzählt sie von ihrem<br />
süßen Leben als Schokoladenmacherin – und ihrem ungewöhnlichen Weg dorthin…<br />
Macht Schokolade wirklich glücklich?<br />
Ja. Und sie macht auch den glücklich, der sie<br />
herstellt. Allein beim Rühren der Schokolade<br />
kannst du wunderbar abschalten, fühlst dich<br />
geistig vollkommen frei. Die meisten Menschen<br />
verbinden mit Schokolade starke, positive<br />
Gefühle. Das merke ich auch jeden Tag bei<br />
meinen Kunden: Sie wollen sich selbst etwas<br />
Besonderes gönnen oder anderen eine Freude<br />
machen. Und das strahlen sie auch aus, wenn<br />
sie meinen Laden betreten. Das sind manchmal<br />
unheimlich wertvolle Begegnungen, großartige<br />
Gespräche.<br />
Das Leben und Arbeiten als Chocolatière war<br />
für dich ein Neuanfang. Eigentlich bist du<br />
ausgebildete Tänzerin…<br />
Ja, Tanz war meine grosse Leidenschaft und<br />
ich habe sehr hart trainiert dafür. Tänzerin zu<br />
sein ist eine sehr intensive Art zu leben. Ich<br />
wollte nichts anderes, war total glücklich.<br />
Doch dann haben meine Knie nicht mitgespielt<br />
- und ich musste meine Karriere an den Nagel<br />
hängen, bevor sie überhaupt richtig beginnen<br />
konnte.<br />
Das war sicher sehr hart.<br />
Ja. Doch irgendwie ging es weiter. Das habe<br />
ich wirklich gelernt: Wenn eine Sache nicht<br />
funktioniert, ergibt sich mit der Zeit etwas<br />
Neues. Man darf sich nicht unterkriegen lassen.<br />
Selbst wenn man tausend kleine Tode<br />
stirbt. Es geht immer weiter.<br />
Als Tänzerin musstest du sicher extrem auf<br />
dein Gewicht achten und ständig verzichten.<br />
Als Chocolatière kannst du aus dem Vollen<br />
schöpfen…<br />
Ach, das sind so Klischees, die einfach nicht<br />
stimmen. Als Tänzer brauchst du Energie.<br />
Schokolade ist Energie, ohne die Verdauung zu<br />
belasten. Alle Tänzer lieben Schokolade! Und<br />
ich habe Süßes schon immer sehr, sehr gerne<br />
gegessen. Klar musst du dich als Tänzerin wie<br />
in jedem Leistungssport auch gesund ernähren,<br />
aber Tänzer sind meistens schlank, weil<br />
sie so viel Energie verbrennen, immer in Bewegung<br />
sind! Diät wäre da wirklich Blödsinn.<br />
Also war das kein „Jetzt-erst-recht“-Moment,<br />
der dich in Richtung Chocolatière<br />
trieb…<br />
Nein, sondern ein glücklicher Zufall, und<br />
Jahre später, nach vielen anderen Versuchen.<br />
Nachdem ich meine Tanzlaufbahn beendet<br />
hatte, landete ich erst einmal im tiefen,<br />
schwarzen Loch. Ich suchte mir zunächst etwas<br />
Bühnenverwandtes, machte eine Kosmetik-Ausbildung<br />
in Richtung Maske. Doch zuzusehen,<br />
wie die Schauspieler auf die Bühne<br />
rannten, während ich mit dem Puderpinsel in<br />
der Hand in der Maske blieb – das war einfach<br />
zu hart, die Enttäuschung noch zu frisch.<br />
Dann ging ich an die Uni, studierte Theater-,<br />
Film- und Fernsehwissenschaften, schrieb danach<br />
Drehbücher. Schließlich ging ich für eine<br />
Zeit nach Los Angeles, nach Hollywood, der<br />
Liebe wegen. Doch die Beziehung zerbrach,<br />
alles lief schief. Ich zog zurück nach Berlin,<br />
schlüpfte unter bei meinem Vater. Und eines<br />
Tages bummelten wir über die Schlossstraße<br />
und wir gingen in diese kleine Pralinenmanufaktur<br />
„Most“. Da stand dann diese wahnsinnig<br />
sympathische Frau am Tresen – Nicole.<br />
Heute ist sie meine beste Freundin und arbeitet<br />
in meinem Laden als Konditorin. Wir sagen,<br />
wir sind Schokoladenschwestern!<br />
Oft sind es gerade die kleinen Momente, die<br />
Großes bewirken. Was passierte nach dieser<br />
Begegnung?<br />
Zufällig suchte genau diese Confiserie eine<br />
Aushilfe und ich ergriff diese Chance. Das war<br />
Bei mir gibt es Schokolade<br />
mit Rosenessenz, mit Curry<br />
oder Ziegenkäse.<br />
einer dieser Glücksfälle. Ich fühlte einfach,<br />
dass ich etwas mit den Händen machen muss,<br />
etwas wirklich Eigenes. Schlussendlich wurde<br />
ich dort ein Jahr lang angelernt und habe<br />
alles über Schokolade erfahren. Doch kurz<br />
darauf wurde „Most“ insolvent. Wieder ein<br />
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