Spolková zpravodajská služba a pražské jaro 1968
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Dokumente des Bundesnachrichtendienstes zum Prager Frühling <strong>1968</strong> 35<br />
Den Nachrichten der StB zufolge beteiligte<br />
sich die BRD an der ideologischen Diversion<br />
mit ihren eigenen Mitteln und gewährte<br />
ausländischen „ideodiversiven Zentren“<br />
einen Wirkungsraum – besonders Radio<br />
Freies Europa in München zur Verbreitung<br />
„feindlicher“ Rundfunk- und Fernsehpropaganda.<br />
Der Bericht aus dem Jahr 1966<br />
schrieb der BRD darum eine immer größere<br />
Rolle im Bereich der ideologischen<br />
Diversion zu: „neben den USA wird sie die<br />
Basis des Antikommunismus in Europa“. 103<br />
Nach Verbesserung der Beziehungen zu<br />
den sozialistischen Ländern, besonders<br />
im Rahmen der „Ostpolitik“, entwickelten<br />
sich die Kontakte im wissenschaftlichen<br />
und kulturellen Bereich. In diesem Bereich<br />
wurde damit begonnen, durch den Austausch<br />
von Jugendlichen, Studenten und<br />
Wissenschaftlern das Bild der BRD auf dem<br />
Weg der persönlichen Erfahrung zu verbessern.<br />
Für die StB war das eine gefährliche<br />
Tendenz. Begleitend wurde mit der Forschung<br />
der sozialistischen Länder begonnen,<br />
die von wissenschaftlichen Instituten<br />
und Universitäten durchgeführt wurde.<br />
Von den Ergebnissen dieser Forschung<br />
sollen auch die westdeutschen Geheimdienste<br />
profitiert haben. 104 Der Beweis<br />
dafür sollte eine gewachsene Beteiligung<br />
an Radio Freies Europa sein, sowie die Bemühungen<br />
wissenschaftlicher Institutionen<br />
aus der BRD, Kontakte mit Instituten<br />
der Tschechoslowakischen Akademie der<br />
Wissenschaft, die im Bereich der Gesellten<br />
kann nicht relevant beurteilt werden ohne<br />
die bislang geheimen Dokumente des SIS und<br />
des KGB zu kennen.<br />
103 ABS, Bestand A7, Inventarnr. 310, Tätigkeitsbericht<br />
der II. Verwaltung HS-StB für das Jahr<br />
1966 (3. 1. 1967).<br />
104 ABS, Bestand A2/3, Inventarnr. 2124, Bericht<br />
von der Tätigkeit der Geheimdienste des<br />
Hauptgegners gegen die ČSSR und durchgeführte<br />
Maßnahmen der Staatssicherheit im<br />
Jahr 1964-1965.<br />
schaftswissenschaften forschten, zu knüpfen.<br />
Die StB wies darauf hin, dass in einigen<br />
wissenschaftlichen Instituten angeblich<br />
Sudetendeutsche wirkten, die als ehemalige<br />
Agenten der Abwehr oder des BND im<br />
wissenschaftlichen Umfeld der Tschechoslowakei<br />
Informationen sammelten. 105<br />
Insgesamt klang die Bedeutung der Arbeit<br />
des BND gegen die Tschechoslowakei also<br />
außerordentlich kritisch. Ein wichtiges Element<br />
in der Wahrnehmung der BND Aktivitäten<br />
durch die StB war der ideologische<br />
Gesichtspunkt. Entsprechend den sehr<br />
schlechten gegenseitigen Beziehungen<br />
zwischen der ČSSR und der BRD in den<br />
50er und 60er Jahren wurde die BRD für<br />
ein Instrument der aggressiven westdeutschen<br />
Politik gehalten, die man in Kontinuität<br />
des Nazi-Regimes sah. 106<br />
Der BND diente angeblich als Instrument<br />
des „Revanchismus“, d.h. der Rache für<br />
die Niederlage im 2. Weltkrieg, und eines<br />
„Militarismus“, der zum Ausbruch eines<br />
neuen kriegerischen Konflikts führen würde.<br />
Zu Beginn der 60er Jahre waren die<br />
Analysen der StB daher voll übler Urteile:<br />
„Der BND – Bundesnachrichtendienst – erfüllt<br />
Aufgaben, die er von der Bundesregierung<br />
erhält und die auf die Organisation<br />
und Durchführung von Spionage und<br />
Zersetzung im Zusammenhang mit den<br />
imperialistischen Plänen des Westens und<br />
den aggressiven Plänen der BRD abzielen.<br />
(...) Der westdeutsche Geheimdienst beteiligt<br />
sich aktiv an der Vorbereitung von<br />
Aktionen nach den revanchistischen Plä-<br />
105 Ebd., A7, Inventarnr. 310, Tätigkeitsbericht der<br />
II. Verwaltung der StB-Hauptverwaltung für<br />
das Jahr 1966 (3. 1. 1967).<br />
106 Dejmek, Jindřich, Československo, jeho sousedé<br />
a velmoci ve 20. století (1918 až 1992)<br />
[Die Tschechoslowakei, ihre Nachbarn und<br />
die Großmächte im 20. Jahrhundert (1918 bis<br />
1992)], Praha 2002, S. 45-70.<br />
MFGBND 9/2016