Spolková zpravodajská služba a pražské jaro 1968
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Dokumente des Bundesnachrichtendienstes zum Prager Frühling <strong>1968</strong> 41<br />
hung ist die Zeit, in der die Kompetenzen<br />
der Sicherheitseinheiten zum ersten Mal<br />
beschnitten wurden und zwar nicht nur<br />
durch Vorgaben des Staats und der Partei,<br />
sondern direkt von der Öffentlichkeit, was<br />
für die Staatssicherheit eine neue und demütigende<br />
Erfahrung war. Ende Juni <strong>1968</strong><br />
erarbeitete die II. Verwaltung des Innenministeriums<br />
für die Leitung des Innenministeriums<br />
ein weiteres Dokument mit demselben<br />
Namen. Es ist ein Musterbeispiel dafür,<br />
wie sich die StB bemühte die Leitung des Innenministeriums<br />
auf akzeptable Weise über<br />
die unerfreuliche Entwicklung der innenpolitischen<br />
Szene zu informieren, die sie faktisch<br />
schon nicht mehr beobachten sollte. Der<br />
Bericht war so konzipiert, als ob die StB die<br />
Berichte über die innenpolitische Entwicklung<br />
nur als Nebenprodukt der Beobachtung<br />
ausländischer diplomatischer Missionen und<br />
Nachrichtendienste erhalten hätte! 123<br />
Die Angehörigen der Öffentlichen Sicherheit<br />
(VB) und der Staatssicherheit (StB)<br />
waren Kritik, aber auch Drohungen und<br />
Angriffen mit Worten, in Ausnahmefällen<br />
123 Der erwähnte Bericht wirkt aus heutiger Sicht<br />
beinahe komisch. Sein Inhalt widmet sich nur<br />
zu einem Viertel ausländischen Subjekten,<br />
wobei er feststellt, dass die Tätigkeit ausländischer<br />
Diplomaten sehr gering und vorsichtig<br />
ist. Der überwiegende Teil des Berichts<br />
besteht aus Angaben über die Entwicklung<br />
unter tschechoslowakischen Intellektuellen,<br />
Wissenschaftlern, in den politischen Parteien,<br />
Clubs und Kirchen. Die ursprüngliche Version<br />
des Berichts vom 26. Juni spricht in der Einleitung<br />
über die Existenz von Gruppen, deren Politik<br />
mit den Absichten der KSČ unvereinbar ist.<br />
Diese Version wurde zur Überarbeitung zurück<br />
gegeben und wurde erst nach der Veränderung<br />
verschickt. ABS, Bestand A34, Inventarnr. 2221,<br />
Informace o některých tendencích, zájmech<br />
a záměrech nepřátelských rozvědek, různých<br />
cizích státních příslušníků i jednotlivých čs.<br />
občanů [Informationen über einige Tendenzen,<br />
Interessen und Absichten feindlicher Geheimdienste,<br />
verschiedener ausländischer Staatsangehöriger<br />
und einzelner tschechoslowakischer<br />
Bürger].<br />
auch tätlichen Angriffen ausgesetzt. Besonders<br />
deutlich wird, welche Bedeutung<br />
die Interpretation der Aufgabe ausländischer<br />
Geheimdienste im politischen Geschehen<br />
des Jahres <strong>1968</strong> in der Tschechoslowakei<br />
hatte, wenn man die Diskussion<br />
in der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei<br />
betrachtet. Am 19. Juni <strong>1968</strong><br />
fand eine Plenarsitzung der Kommunisten<br />
im Korps der Nationalen Sicherheit statt,<br />
die Delegierte für die außerordentliche Bezirkskonferenz<br />
der KSČ wählen sollte, die<br />
anschließend am 6.-7. Juli <strong>1968</strong> stattfand.<br />
Auf beiden Parteitreffen präsentierte der<br />
Delegierte der Konservativen, der Stellvertreter<br />
des Befehlshabers der Prager Bezirksverwaltung<br />
des Korps der Nationalen<br />
Sicherheit, Bohumír Molnár die damalige<br />
Tschechoslowakei als Feld ungeheuren Interesses<br />
für ausländische Geheimdienste,<br />
wozu er eine Reihe gesellschaftlicher Phänomene<br />
als Beispiele anführte. 124 Auf der<br />
Bezirkskonferenz rief sein Beitrag Verwunderung<br />
hervor und wurde von anderen Delegierten<br />
kritisiert, entging aber vor allem<br />
124 Bohumír Molnár (1924-1988), geb. Motejlek,<br />
war langjähriger StB-Offizier. In seiner operativen<br />
Karriere beteiligte er sich beispielsweise<br />
an der Entführung des ehemaligen Vorsitzenden<br />
der Sozialdemokraten, Bohumil Laušman<br />
und war Führungsoffizier für den tschechoslowakischen<br />
Agenten Alfred Frenzel, einen<br />
Abgeordneten des Bundestages. Nach seiner<br />
Verhaftung und Verurteilung wurde Molnár<br />
auf die Stelle des stellvertretenden Chefs der<br />
Bezirksverwaltung des Korps der Nationalen<br />
Sicherheit in Prag versetzt. Von diesem Posten<br />
wurde er Ende August <strong>1968</strong> abberufen<br />
wegen seiner Beteiligung an der Verhaftung<br />
von Alexander Dubček und weiterer wichtigster<br />
verfassungsmäßiger Vertreter der ČSSR in<br />
den frühen Morgenstunden des 22.8.<strong>1968</strong> auf<br />
Wunsch der sowjetischen Okkupanten. Žáček,<br />
Pavel: Vzestupy a pády Bohumíra Molnára:<br />
kariéra generála StB [Aufstieg und Fall des Bohumír<br />
Molnár: Karriere eines StB-Generals], in:<br />
ČELOVSKÝ, Bořivoj et al. Oči a uši strany. Sedm<br />
pohledů do života StB [Augen und Ohren der<br />
Partei. Sieben Ansichten des StB-Lebens].<br />
Šenov u Ostravy 2005, S. 77-118.<br />
MFGBND 9/2016