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Spolková zpravodajská služba a pražské jaro 1968

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Dokumente des Bundesnachrichtendienstes zum Prager Frühling <strong>1968</strong> 45<br />

Veränderungen bei der Interpretation der<br />

Rolle des BND im „Prager Frühling“<br />

Die oben angeführte Feststellung wurde<br />

aber mit der schleichenden Veränderung<br />

der politischen Situation nach dem 21.<br />

August <strong>1968</strong> langsam schwächer. In den<br />

Dokumenten aus dem Jahr 1969 und den<br />

folgenden Jahren können wir erkennen,<br />

dass die im Grunde gleichen operativen<br />

Erkenntnisse gegensätzlich bewertet werden.<br />

Diese Verschiebung ist ein deutlicher<br />

Beweis für die Tatsache, dass die Okkupation<br />

der Tschechoslowakei von einem Tag<br />

auf den anderen vor allem die außenpolitische<br />

Orientierung des Landes bestimmte,<br />

während die innenpolitischen Verhältnisse<br />

noch einige Zeit im Fluss waren. Daher verzeichnen<br />

wir unter den ersten Schuldigen<br />

des „Prager Frühlings“ gerade die ausländischen<br />

Nachrichtendienste, wenn auch<br />

nur auf Grund der Interpretation interner<br />

Dokumente des Innenministeriums.<br />

Bevor wir die Dokumente der Zeit analysieren,<br />

wollen wir wenigstens in groben<br />

Zügen die grundsätzlichen Ereignisse im<br />

Sicherheitsapparat der ČSSR während der<br />

Okkupation der ČSSR erwähnen. Noch vor<br />

der Ankunft der sowjetischen Truppen in<br />

Prag wurde aus pro- sowjetisch orientierten<br />

StB-Offizieren eine Gruppe gebildet,<br />

deren Aufgabe es war, den Sicherheitsapparat<br />

zu beherrschen. Diese Gruppe mit Instruktionen<br />

aus der sowjetischen Botschaft<br />

leitete der Staatssekretär, der im Innenministerium<br />

für die StB zuständig war, Viliam<br />

Šalgovič. Der bereits erwähnt B. Molnár<br />

beteiligte sich an der Verhaftung der höchsten<br />

Vertreter der Partei und des Staats. Die<br />

Gruppe der Putschisten internierte kurzfristig<br />

die reformorientierten Angehörigen<br />

der StB, verbreitete irreführende Informationen<br />

über eine angebliche Einladung der<br />

verbündeten Truppen durch Vertreter der<br />

Partei und der Regierung und bemühte<br />

sich z.B. den Rundfunk zum Schweigen zu<br />

bringen. Das ist nicht gelungen und nachdem<br />

die offizielle Erklärung der tschechoslowakischen<br />

Regierung und der Parteispitzen,<br />

die die Okkupation verurteilten,<br />

bekannt wurde, gerieten die Putschisten in<br />

die Defensive und wurden noch im August<br />

<strong>1968</strong> ihrer Positionen enthoben. Der Austausch<br />

auf dem Posten des Innenministers<br />

war für die UdSSR von oberster Priorität,<br />

daher wurde Ende August nach den erzwungenen<br />

(den sog. Moskauer) Verträgen<br />

der reformorientierte Minister Josef Pavel<br />

durch Jan Pelnář ersetzt. 139<br />

Perlnářs erste Schritte gingen nicht in Richtung<br />

radikaler Maßnahmen bei den Sicherheitseinheiten.<br />

140 Zu seinem Hauptziel<br />

139 Jan Pelnář (1911-1982), bis <strong>1968</strong> kommunistischer<br />

Provinzpolitiker, wirkte in den Jahren<br />

1954-<strong>1968</strong> als Vorsitzender des nationalen<br />

Bezirkskomitees in Pilsen. Er war ein Kompromiss-Kandidat<br />

für den Posten des Innenministers<br />

nach der Okkupation der Tschechoslowakei,<br />

bald jedoch wechselte er ins Lager der<br />

konservativen Kommunisten. Ab 1969 hatte er<br />

den Posten eines Abgeordneten der Föderationsversammlung<br />

inne. Seine Zeit als Minister<br />

endete im Jahr 1970 und danach wurde er<br />

Vorsitzender des Zentralkomitees der Nationalfront<br />

der Tschechischen Sozialistischen<br />

Republik. Ab 1971 trat er den Ruhestand an.<br />

Biografisches Wörterbuch der Vertreter des<br />

Innenministeriums in den Jahren 1948-1989,<br />

S. 140. (Anm. 111)<br />

140 In der Zeit der Okkupation der Tschechoslowakei<br />

publizierte er in der Presse eine Erklärung,<br />

die das Verhalten der sowjetischen Armee verurteilte.<br />

Als er sich kurz nach dem Amtsantritt<br />

als Innenminister mit dem sowjetischen KGB-<br />

Hauptberater in der Tschechoslowakei, Gen.<br />

Kotov traf, kommentierte er dessen Ausführungen<br />

über angeblich laufende Aktionen ausländischer<br />

Geheimdienste gegen die Tschechoslowakei<br />

nicht. Pelnář lehnte im Gespräch die<br />

sowjetische Okkupation ab und forderte zudem<br />

ausdrücklich, dass über das Treffen nichts publik<br />

würden. ABS, Bestand A10, Inventarnr. 268,<br />

Notiz über das Gespräch des Innenministers<br />

Pelnář mit Gen. Kotov am 3. 9. <strong>1968</strong>.<br />

MFGBND 9/2016

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