Adam Scharrer – Vaterlandslose Gesellen (1930) - linke-buecher.net
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Es hagelt Gestellungsbefehle, die Betriebe werden militarisiert, die beurlaubten Soldaten erhalten<br />
durch militärische Bekanntmachungen Befehl, die Arbeit aufzunehmen oder sich ihrem Truppenteil zu<br />
stellen.<br />
Werden sie sich schrecken lassen vor der Drohung mit der Strafe ?<br />
Ich erwarte Langenscheid. Er kommt auch. Arbeiter und Arbeiterinnen des Betriebes kommen und<br />
gehen in das Vereinszimmer. „Wie steht's", fragt ihr stummer Blick, jeden Tag.<br />
Und jeden Tag dieselbe Antwort: „Durchhalten!"<br />
Sie gehen wieder, den Gestellungsbefehl in der Tasche. Sie fühlen, wie sich die Krallen des<br />
Militarismus über ihnen krampfen. Wenn sie geholt werden, einzeln, mit aufgepflanztem Gewehr, was<br />
dann ?<br />
Langenscheid sagt: „Die Bewegung läuft um den toten Punkt herum, wer das nicht sieht oder nicht<br />
sehen will, ist ein naiver Trottel oder ein bewusster Saboteur. — Wir haben nachher Sitzung, kommst<br />
du mit ?"<br />
„Ja!"<br />
„Die Bewegung steht gut", berichtet Riedel. „Die Einigkeit darf nicht wieder zerbrochen werden.<br />
Auch die Mehrheitssozialdemokratie wird sich dafür einsetzen, dass die Gestellungsbefehle<br />
rückgängig gemacht werden."<br />
Langenscheid kämpft wie ein Löwe:<br />
„Kollegen! Jetzt ist die Machtfrage aufgerollt. Es liegt im Wesen der Dinge, dass es hier nichts mehr<br />
,einzusetzen', nichts mehr zu verhandeln gibt. Jetzt heißt es ,aussprechen, was ist'. Wenn die Arbeiter<br />
wieder in die Betriebe gejagt werden— durch irgendeinen Schacher —, werden wir alle nach ,Kriegsrecht'<br />
abgeurteilt. Wisst ihr denn nicht, was ihr tut? Jetzt heißt es, die Arbeiterschaft zur offenen<br />
Rebellion aufzurufen, zur Solidarität mit den Urlaubern. Der Streik wird sinnlos, wenn ihm das Ziel<br />
genommen wird. Jetzt muss der Belagerungszustand fallen. Jetzt müssen Flugblätter unter die Soldaten.<br />
Jetzt müssen wir den Arbeitern offen sagen, dass die Frage steht: Sieg oder Niederlage! Jetzt<br />
müssen wir den Widerstand mit allen Mitteln organisieren. Jetzt müssen wir die Fahne erheben gegen<br />
den Krieg. Jetzt müssen wir begreifen, dass der Streik nur ein Anfang war — sonst sind wir verloren!<br />
Der Arbeiterrat muss jetzt handeln, schnell handeln."<br />
Langenscheid erhält die Zustimmung der Mehrheit.<br />
Riedel erhebt sich, als hebe er eine schwere Last mit hoch.<br />
„Kollegen! Der Kollege Langenscheid setzt alles auf eine Karte."<br />
„Natürlich — sehr richtig!"<br />
„Kollegen! Wenn wir zum offenen Widerstand gegen die Staatsgewalt auffordern, setzen wir uns<br />
selbst ins Unrecht. Wir können nicht nur an die Streikenden denken, sondern müssen versuchen, die<br />
öffentliche Meinung auf unsere Seite zu bringen, sonst bleiben wir isoliert. Denkt, welche<br />
Verantwortung auf uns lastet."<br />
Die letzten Worte Riedels machen starken Eindruck — aber die Lage ist ungeklärt. Jeder fühlt das<br />
Unhaltbare der Situation.<br />
Ein Arbeiter spricht, als wolle er die Stille verscheuchen, von Einigkeit und Zusammenhalten. Nicht<br />
wieder den alten Streit ausgraben, das bringt uns nicht weiter! Wenn wir aushalten, sind sie<br />
gezwungen, nachzugeben. Blut ist schon genug geflossen!<br />
„Du Arschloch, verzapf deinen Quatsch woanders!"<br />
„Kollege Krüger, ich muss diese Beleidigungen Kollegen gegenüber zurückweisen."<br />
„Ich bitte ums Wort!"<br />
„Kollege Krüger hat das Wort!"<br />
„Ihr habt scheinbar nichts davon gehört, dass sie schon anfangen, die Genossen aus den Häusern zu<br />
holen. Ihr habt noch nichts gemerkt, wie sie dazwischengedroschen haben. Ihr singt hier noch die<br />
Klagelieder von Jeremias, wenn sie hier schon hereinkommen und euch mit dem Kolben über den<br />
Schädel wichsen. Himmelkreuzdonnerwetter! Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen ? Ihr<br />
quatscht hier von ,Verantwortung', und oben sitzen sie schon zusammen und schieben die Kiste. Wenn<br />
es dann soweit ist, reißt ihr Mund und Ohren auf. Wenn die Streikleitung und der Arbeiterrat nicht<br />
wissen, was los ist, dann sollen sie nur gleich einpacken. An uns liegt es zu handeln. Wenn wir in die<br />
Löcher kriechen, nützt unser ganzes Gequatsche nichts!"<br />
„Geht das schon wieder los!"<br />
„Immer die Spartakisten und Unabhängigen."<br />
„Lasst euch man von Ebert und Scheidemann wieder einwickeln."<br />
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