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Adam Scharrer – Vaterlandslose Gesellen (1930) - linke-buecher.net

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Gesichter.<br />

„Ist wohl deine Frau ?"<br />

„Ja", wie aus dem verborgensten Winkel seiner behaarten Brust kommt das.<br />

Ich weiß nicht, ob ich mich täusche, aber alles, was Langenscheid tut, wie er sich bewegt, wie er<br />

darauf bedacht ist, die Arbeit mit äußerster Exaktheit auszuführen, wie er abwägt, ob die zehn Pfennig<br />

Zulage den Einsatz lohnen, sich nicht verraten, preisgeben will, für nichts: das alles erscheint mir so<br />

klar, fließt zusammen zu einem Ganzen, einem wohldurchdachten System.<br />

„Zu Herrn Horn bitte!"<br />

Die Lohnschreiberin steht vor uns, geht dann, ohne Antwort abzuwarten, mit derselben Aufforderung<br />

von Bank zu Bank. Sie folgen bereits, gehen zur Meisterbude hin.<br />

„Was ist los ?" frage ich Krüger.<br />

„Das Vaterland braucht Geld! Kannst einen Wochenlohn opfern — für Kriegsanleihe."<br />

Brunner geht sofort, Langenscheid folgt langsam, als ginge er zur Toilette. Wir gehen hinterher. Eine<br />

ganze Reihe ist angetreten. Die meisten zeichnen. Der Meister sitzt davor und erklärt pflichtgemäß,<br />

dass die Liste von der Betriebsleitung zirkuliere für die Belegschaft. Brunner kommt an die Reihe und<br />

zeich<strong>net</strong>. Eine Arbeiterin sagt: „Hab ja selbst nichts!" Sie bleibt unschlüssig stehen, bis Meister Horn<br />

sie beiseite schiebt und sagt: „Ist gut!"<br />

Der Meister sieht auf Langenscheid, der jetzt an der Reihe ist.<br />

„Ich lehne ab!" sagt Langenscheid, dreht sich um und geht. Als Horn dann noch Krüger sieht, der<br />

höhnisch lacht, winkt er rasch ab.<br />

Ich lehne ebenfalls ab und folge den beiden.<br />

„Dämliche Schweine", sagt Krüger während der Frühstückspause, „können vor Hunger nicht aus den<br />

Augen gucken und opfern trotzdem ihre sauer verdienten Pfennige, damit das Gemetzel frisch-fröhlich<br />

weitergeht. Aber mancher möchte dadurch noch einen Blumentopf gewinnen."<br />

Er sagt das mit einem deutlichen Stich auf Brunner.<br />

„Wegen die paar Kröten die Finger verbrennen, fällt mir ein", gibt der giftig zurück. „Ich habe meinen<br />

Groschen Zulage gekriegt. In einer Woche hab ich das raus, merk das gar nicht."<br />

Langenscheid guckt über seine Kaffeepulle fort, er trinkt gerade, stellt sie dann hin und sagt: „Die<br />

wissen da oben schon, was sie machen. Auf die Pfennige kommt es ihnen gar nicht an, sondern auf die<br />

Gesinnung. Sie gucken sich auch nicht die an, die zeichnen, sondern die, die nicht zeichnen. Die jetzt<br />

noch zeichnen, sind der große Haufen Dreck. Der quietscht noch nicht einmal, wenn man drauf<br />

herumtrampelt."<br />

Langenscheid knüllt sein Butterbrotpapier zusammen und geht schlenkernd an seine Bank. Brunner ist<br />

rot wie ein Krebs. Krüger grinst.<br />

XXIII<br />

Langenscheid wird seiner Frau bestimmt sagen, dass er keine Kriegsanleihe gezeich<strong>net</strong> hat und dass<br />

man ihn nun näher beobachten wird.<br />

Auch ich muss mit Sophie darüber reden.<br />

Ich komme aber nicht dazu. In der Stube sitzt ein Soldat und wartet auf mich. Als er mich sieht, steht<br />

er auf und streckt mir die Hand entgegen. „Tag, Hans!"<br />

Ich suche mich zu entsinnen. Seine Stimme klingt mir vertraut, die Hakennase, die große Falte um sie<br />

beim Lachen ? — „Walter! Bist auch hier in Deutschland? Urlaub? Heimatschuss ?"<br />

„So ähnlich", sagt Walter. Ich muss mich erst an ihn gewöhnen. Er ist ganz verändert, sein starker<br />

Schnurrbart ist weg.<br />

„Hast Schwein gehabt, Hans!"<br />

„Gott, wer weiß, wie lange es dauert, und dann — es ist auch hier genug Krieg."<br />

Sophie brüht ein bisschen Tee auf und setzt sich dann zu uns.<br />

„Bist du schon lange hier ?"<br />

Walter lacht vielsagend — und schweigt.<br />

„Das hätte bös ausgehen können." Ich sehe unter seinem rechten Auge eine noch frische Narbe.<br />

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