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Deutscher Bundestag Zweiter Zwischenbericht - CDU Deutschlands

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/7546<br />

weisen (Reprogrammierung61 ). 62 Es ist bisher noch nicht<br />

möglich, die Prozesse der Transdifferenzierung oder Reprogrammierung<br />

zu steuern.<br />

Unklar ist, ob eine detaillierte Untersuchung der Mechanismen,<br />

die an der Transdifferenzierung und Reprogrammierung<br />

beteiligt sind, an den AS-Zellen selbst erfolgen<br />

kann. Ebenso ist es schwierig, zu beurteilen, ob die Aufklärung<br />

der Vorgänge bei der Differenzierung von ES-Zellen<br />

eine entscheidende Rolle beim Verständnis des Ablaufs<br />

bei der Transdifferenzierung spielen wird und inwieweit<br />

Tierversuche hier die nötigen Grundlagen schaffen.<br />

Verschiedene Unternehmen haben der Presse mitgeteilt,<br />

sie hätten entscheidende Fortschritte bei der Reprogrammierung<br />

von AS-Zellen gemacht. Neonatale Stammzellen63<br />

, Hautzellen einer Kuh64 und menschliche T-Zellen<br />

des Immunsystems65 seien in einen pluripotenten Zustand<br />

ähnlich dem der ES-Zellen versetzt worden. Eine Veröffentlichung<br />

der Versuche in wissenschaftlichen Zeitschriften<br />

gab es bisher nicht.<br />

1.1.1.6 Totipotenz/Pluripotenz<br />

Die Begriffe Totipotenz und Pluripotenz werden in der naturwissenschaftlichen<br />

Literatur uneinheitlich verwendet:<br />

In der klassischen Embryologie wird die Totipotenz einer<br />

Zelle als die Fähigkeit verstanden, sich zu einem ganzen<br />

Individuum zu entwickeln. Pluripotente Zellen dagegen<br />

können sich im Sinne der klassischen Embryologie zu<br />

zahlreichen Zellen, Geweben oder Organen entwickeln,<br />

jedoch nicht zu einem ganzen Individuum. In der Forschung<br />

an ES-Zellen der Maus wird unter Totipotenz dagegen<br />

die Fähigkeit verstanden, sich nach der Injektion<br />

in fremde Blastozysten an der Bildung aller Gewebe<br />

einschließlich der Keimbahn zu beteiligen. 66 Andere Definitionen<br />

von Totipotenz umfassen die Fähigkeit einer<br />

Zelle, sich in alle drei embryonalen Keimblätter oder in<br />

alle Zelltypen eines Organismus zu differenzieren. 67<br />

Vor dem Hintergrund der rechtlichen Situation in<br />

Deutschland gewinnt die Potenzialität der in der Stammzellforschung<br />

verwendeten menschlichen Zellen eine besondere<br />

Bedeutung, denn im ESchG werden Embryonen<br />

und totipotente Zellen rechtlich gleichgestellt. Dabei wird<br />

Totipotenz im Sinne der klassischen Embryologie als<br />

Fähigkeit zur Ganzheitsbildung, d. h. zur Bildung eines<br />

Individuums, verstanden.<br />

Da die Potenzialität einzelner menschlicher Zellen aus<br />

ethischen Gründen nicht empirisch überprüft werden<br />

61 Um diese Verwandlung der AS-Zellen von den Vorgängen beim Zellkerntransfer<br />

zu unterscheiden, wird auch der Begriff „Retrodifferenzierung“<br />

verwendet.<br />

62 Watt/Hogan 2000.<br />

63 Anthrogenesis Corporation (USA).<br />

64 PPL Therapeutics (Großbritannien).<br />

65 Tristem (Großbritannien).<br />

66 Beier 2000, S. 57 f.<br />

67 Badura-Lotter 2000, S. 60.<br />

kann, müssen Ergebnisse aus Versuchen mit tierischen<br />

Embryonen auf den Menschen übertragen werden.<br />

Die bisher erhobenen Befunde sprechen dafür, dass<br />

während der normalen Entwicklung des Menschen das<br />

Stadium der Totipotenz auf die befruchtete Eizelle und die<br />

aus den ersten Teilungsstadien hervorgegangenen Tochterzellen<br />

begrenzt ist. Für viele Expertinnen und Experten<br />

gilt es deshalb als ausgeschlossen, dass sich in eine Gebärmutter<br />

implantierte ES- oder EG-Zellen in ein Individuum<br />

weiterentwickeln können. ES- und EG-Zellen werden<br />

demzufolge als pluripotent eingestuft. 68<br />

Einzelne Expertinnen und Experten halten es jedoch nicht<br />

für erwiesen, dass ES- und EG-Zellen keine Totipotenz<br />

mehr besitzen. Sie kritisieren, dass die Bildungspotenzen<br />

der Embryoblastzellen, aus denen die ES-Zellen gewonnen<br />

werden, nicht systematisch untersucht wurden. Deshalb<br />

werden Untersuchungen wiederholt, die 1996 in den<br />

USA durchgeführt wurden und darauf hinwiesen, dass<br />

ES-Zellen von Weißbüscheläffchen in Kultur eine keimblattähnliche<br />

Struktur ausbilden können, mit dem Ziel<br />

aufzuklären, ob die Zellen toti- oder pluripotent sind. 69<br />

Das Verständnis des Begriffes Totipotenz auf Grundlage<br />

der klassischen Embryologie wird durch die Verfügbarkeit<br />

der Zellkerntransferverfahren infrage gestellt, da unter<br />

bestimmten experimentellen Bedingungen sogar Zellkerne<br />

aus adulten Geweben zu einer Zelle mit Totipotenz<br />

ergänzt werden können (Reprogrammierung). Als totipotent<br />

wäre dabei nicht die Ausgangszelle, sondern erst das<br />

durch den Zellkerntransfer entstandene Gebilde zu bezeichnen.<br />

Auch bei der Reprogrammierung von AS-Zellen<br />

wäre zu fragen, ob diese bis ins Stadium der Totipotenz<br />

gelangen oder pluripotent bleiben.<br />

Ungeklärt ist bisher, ob auf technischem Wege die Ganzheitsbildung<br />

ausgeschlossen werden kann, die Differenzierung<br />

zu bestimmten Zellen oder Geweben aber weiterhin<br />

möglich ist.<br />

1.1.2 Anwendung und Inanspruchnahme<br />

Die Anwendungsmöglichkeiten für Stammzellen sind bisher<br />

auf wenige Bereiche begrenzt. Gewebespezifische<br />

menschliche adulte Stammzellen werden für einzelne therapeutische<br />

Verfahren eingesetzt und ES-Zellen der Maus<br />

werden genutzt, um Tiere zu züchten, die als Modelle für<br />

menschliche Krankheiten dienen.<br />

1.1.2.1 Therapeutische Anwendung<br />

Die klinische Anwendung von Stammzellen beschränkt<br />

sich bisher auf AS-Zellen und neonatale Stammzellen, die<br />

innerhalb ihrer Gewebespezifität verwendet werden. Zu-<br />

68 Mündliche Mitteilung PD Dr. Wobus im Rahmen der nicht öffentlichen<br />

Anhörung am 23. April 2001.<br />

69 Thomson et al. 1996. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hatte<br />

ein Projekt zur Wiederholung dieses Experiments innerhalb ihres<br />

Schwerpunktprogrammes zu Stammzellen nicht zur Förderung angenommen.

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