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Deutscher Bundestag Zweiter Zwischenbericht - CDU Deutschlands

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Drucksache 14/7546 – 60 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode<br />

Voraussetzung einer Trennung der Entscheidung über den<br />

Schwangerschaftsabbruch von derjenigen zur Gewebespende<br />

ist, dass die Möglichkeit zur Spende des embryonalen<br />

oder fetalen Gewebes erst thematisiert wird, wenn<br />

die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch endgültig<br />

getroffen wurde. Aus Gründen der biologischen Verwendbarkeit<br />

des Materials muss die Entscheidung zur<br />

Spende jedoch vor dem Abbruch erfolgen. Vergünstigungen,<br />

welche die Entscheidung beeinflussen können, dürfen<br />

nicht angeboten werden. Außerdem sollte eine personelle<br />

und organisatorische Trennung der Beteiligten<br />

angestrebt werden. Inwieweit solche Vorschriften zum<br />

Verfahren in der Praxis überhaupt eingehalten werden<br />

können, ist jedoch zweifelhaft, zumal eine Staffelung des<br />

Verfahrens mit einer zusätzlichen Belastung für die Patientinnen<br />

verbunden wäre. 330<br />

Die Richtlinien zur Verwendung fetaler Zellen und fetaler<br />

Gewebe sehen die Möglichkeit einer Zweckbindung des<br />

informed consent zur Gewebespende nach einem<br />

Schwangerschaftsabbruch vor. Die Schwangere kann<br />

Verfügungen hinsichtlich des Umfangs der Zell- und Gewebeentnahme<br />

sowie auch der generellen Art der Verwendung<br />

treffen.<br />

4.1.3 Auswirkungen auf die soziale Situation<br />

von Frauen<br />

Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stellung von<br />

Frauen sind bei der Verwendung embryonalen oder fetalen<br />

Gewebes zur Herstellung von EG-Zellen ebenso zu<br />

berücksichtigen wie im Zusammenhang mit der Transplantation<br />

solcher Gewebe.<br />

Es wird befürchtet, dass Frauen zunehmend als „Rohstofflieferantinnen“<br />

betrachtet werden könnten, die Gewebe zu<br />

Forschungs- oder Transplantationszwecken bereitstellen.<br />

Auch die Hoffnungen, die hinsichtlich der therapeutischen<br />

Perspektiven von EG-Zellen geweckt werden, könnten<br />

dazu führen, dass Frauen sich in der Pflicht sehen, ihre<br />

Einwilligung zur Verwendung embryonalen oder fetalen<br />

Gewebes zu geben. Im Zusammenhang mit der Transplantationsmedizin<br />

wurde darauf hingewiesen, dass insbesondere<br />

bei einem steigenden Bedarf an embryonalem oder<br />

fetalem Gewebe subtile Zwänge zur Gewebespende nach<br />

einem Schwangerschaftsabbruch vorstellbar wären, die<br />

bis hin zu einer indirekten oder direkten Kommerzialisierung<br />

und „eine[r] Verdinglichung von Frauen zu ausbeutbaren<br />

Plantagen“ führen könnten. 331<br />

Berücksichtigt werden muss auch die psychische Belastung<br />

der Frauen, die nach erfolgtem Schwangerschaftsabbruch<br />

den toten Fetus zur EG-Zellgewinnung freigeben<br />

und jener Frauen, die sog. „überzählige“ Embryonen aus<br />

der In-vitro-Fertilisation zur Herstellung von ES-Zellen<br />

zur Verfügung stellen. Einige sehen in der Spende von embryonalem<br />

oder fetalem Gewebe größere Probleme für die<br />

Frau, da nach durchlebter Schwangerschaft bereits eine le-<br />

330 Ach et al. 2000, S. 156.<br />

331 Schneider 1995, S. 229.<br />

bensgeschichtliche Beziehung zwischen Frau und Fetus<br />

besteht. Andere sind der Auffassung, dass die Freigabe eines<br />

bereits toten Fetus weniger belastend für die Frau ist<br />

als die Entscheidung über das Leben eines Embryos.<br />

4.2 Regelungsoptionen und Empfehlungen<br />

Für die Gewinnung und Verwendung von fetalen Zellen<br />

und fetalem Gewebe aus abgetriebenen Feten liegen<br />

Richtlinien der Bundesärztekammer von 1991332 und eine<br />

Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei der<br />

Bundesärztekammer zur Übertragung von Nervenzellen<br />

in das Gehirn von Menschen von 1998333 vor.<br />

In der Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei<br />

der Bundesärztekammer wird die Entnahme und Verwendung<br />

fetaler Nervenzellen aus abgetriebenen Feten kritisch<br />

bewertet. Praktisch wurde zu einem Moratorium der<br />

Nutzung fetaler Zellen aus abgetriebenen Feten insgesamt<br />

aufgerufen. 334 Wesentliche Kritikpunkte der Zentralen<br />

Ethikkommission sind:<br />

– die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung<br />

der Gewinnung der fetalen Zellen oder Gewebe, die<br />

Auswirkungen der Nutzungsentscheidung auf die Entscheidung<br />

zum Schwangerschaftsabbruch bisher nicht<br />

ausschließen können, und<br />

– die Unklarheit der gesetzlichen Situation. 335<br />

Ethisch kann der Verwendung abgetriebener Embryonen<br />

oder Feten für die Entnahme von Stammzellen wenn überhaupt,<br />

nur dann zugestimmt werden, wenn die bereits in den<br />

Richtlinien der Bundesärztekammer zur Verwendung fetaler<br />

Zellen und fetaler Gewebe von 1991 aufgestellten folgenden<br />

Prinzipien auf diesen Bereich übertragen würden:<br />

– Der Embryo oder der Fetus müssen tot sein; entsprechend<br />

müssen Entnahmekriterien berücksichtigt werden.<br />

– Gewährleistung der Unabhängigkeit der Abtreibungsentscheidung<br />

und der Einwilligung in die Nutzung;<br />

– Personale und organisatorische Trennung der freigebenden<br />

und der nutzenden Institution;<br />

– Bindung an den informed consent der Frau;<br />

– Festlegung der Kriterien des informed consent, insbesondere<br />

Ausschluss einer einschränkenden Empfängerbenennung;<br />

– Ausschluss kommerzieller Interessen und Praktiken;<br />

– Dokumentation und<br />

– Genehmigung durch eine öffentlich-rechtlich eingesetzte<br />

Ethikkommission. 336<br />

332 Bundesärztekammer 1991.<br />

333 Bundesärztekammer 1998b.<br />

334 Vgl. Fußnote 324.<br />

335 Z.B. regelt §168 StGB den Diebstahl einer toten Leibesfrucht, nicht<br />

die eingewilligte Nutzung; das Transplantationsgesetz gilt explizit<br />

nicht für fetale Gewebe und Organe.<br />

336 Bundesärztekammer 1991.

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