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Deutscher Bundestag Zweiter Zwischenbericht - CDU Deutschlands

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Drucksache 14/7546 – 62 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode<br />

5.1.3 Reprogrammierung zur Totipotenz<br />

Sowohl die Verwendung von Stammzellen aus Nabelschnurblut<br />

zur Knochenmarktransplantation als auch die<br />

Möglichkeit, Stammzellen aus dem Nabelschnurblut zu<br />

nutzen, um durch Transdifferenzierung oder Reprogrammierung<br />

andere Gewebe zu erzeugen, können mit der Verwendung<br />

adulter, gewebespezifischer Stammzellen verglichen<br />

werden. Wegen ihres geringen Reifegrades sind<br />

Stammzellen aus Nabelschnurblut möglicherweise besser<br />

zur Reprogrammierung geeignet als adulte Stammzellen.<br />

Eine Manipulation der Stammzellen, die zu totipotenten<br />

Zellen führt, wird als durch das Embryonenschutzgesetz<br />

verboten betrachtet. Werden neonatale Zellen durch Reprogrammierung<br />

in das Stadium der Totipotenz versetzt,<br />

treffen alle hinsichtlich der ES-Zellen angeführten Bedenken<br />

auch auf die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut<br />

zu.<br />

5.1.4 Ökonomische Aspekte<br />

Für die Finanzierung von Nabelschnurblutbanken kommen<br />

derzeit private Zahlungen von Eltern, private oder<br />

staatliche Spenden sowie Zahlungen einzelner privater<br />

Krankenversicherungen infrage.<br />

Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen der Einlagerung<br />

von Nabelschnurblut für die autologe Verwendung zu<br />

einem späteren Zeitpunkt im Leben des Kindes und der<br />

Verwendung für Dritte (allogene Transplantation). Auf internationaler<br />

Ebene beschränken sich nicht alle privat<br />

finanzierten Nabelschnurblutbanken auf Nabelschnurblut<br />

zur autologen Verwendung. Ebenso wenig beschränken<br />

sich alle öffentlich finanzierten Institute auf allogene<br />

Transplantationen. 341 In Deutschland stellen zurzeit die<br />

privat finanzierten Nabelschnurblutbanken Lagerkapazitäten<br />

für Stammzellen nur zur autologen Transplantation<br />

zur Verfügung.<br />

Werden Nabelschnurblutbanken und die Einlagerung von<br />

Stammzellen durch öffentliche Mittel oder Krankenkassen<br />

unterstützt, muss Ziel eine gerechte Verteilung der gespendeten<br />

Stammzellen unter allen Patientinnen und<br />

Patienten sein, die von der Therapie mit den Zellen profitieren<br />

können. Um einen ausreichenden Zugang zu gewährleisten,<br />

müssten die Bemühungen zur Gewinnung<br />

von Stammzellen aus Nabelschnurblut erheblich verstärkt<br />

werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die freiwillige<br />

Spende des Nabelschnurblutes für die Spendenden risikolos,<br />

ethisch unproblematisch und für die Gesellschaft kostengünstig<br />

gewonnen werden kann.<br />

Es wird in zunehmendem Maße möglich, aus Nabelschnurblut<br />

eine Reihe verschiedener Stammzellen zu gewinnen<br />

oder herzustellen. Diese werden voraussichtlich<br />

für eine Vielzahl von Therapien neben der Knochenmarktransplantation<br />

verwendet werden können. Es erscheint<br />

daher notwendig, die Gewinnung, Sammlung und Einla-<br />

341 Bei einer allogenen Transplantation wird das Nabelschnurblut einer<br />

Empfängerin oder einem Empfänger mit möglichst ähnlichen Gewebemerkmalen<br />

übertragen.<br />

gerung von gespendetem Nabelschnurblut auszubauen<br />

und die Kosten für die Lagerung solidarisch aufzubringen,<br />

wenn sich die klinische Anwendbarkeit nach Abschluss<br />

der experimentellen Phase bestätigen sollte.<br />

Das kommerzielle Angebot zur individuellen Bevorratung<br />

von Zellen aus eigenem Nabelschnurblut könnte unbegründete<br />

Erwartungen bei den Eltern Neugeborener<br />

hervorrufen. In den letzten Jahren wurden Geschäftsmodelle<br />

entwickelt, die auf die Hoffnung der Eltern setzen,<br />

dass ihr Kind im späteren Leben im Falle eines schweren<br />

Leidens mittels der konservierten neonatalen Stammzellen<br />

zu heilen sei. Die Eltern könnten sich insbesondere<br />

durch Werbebroschüren moralisch unter Druck gesetzt<br />

fühlen, etwas vermeintlich Notwendiges für ihr Kind zu<br />

tun, das sie kaum ablehnen könnten. 342 Die „Richtlinien<br />

zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut<br />

(CB = Cord Blood)“ der Bundesärztekammer und des<br />

Paul-Ehrlich-Institutes führen diesbezüglich aus:<br />

„Für die Bevorratung von autologen CB-Präparaten ist<br />

zurzeit keine medizinische Indikation bekannt, sie ist daher<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht notwendig.“ 343<br />

5.2 Regelungsoptionen und Empfehlungen<br />

Die Verwendung von neonatalen Stammzellen als allogenes<br />

oder autologes Transplantat erscheint ethisch wenig<br />

problematisch. Die Sammlung von und Forschung mit<br />

neonatalen Stammzellen sollte daher gezielt und angemes<br />

sen gefördert werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse<br />

sollten dazu dienen, die Ressource „neonatale Stammzellen“<br />

weiter zu bewerten, die für ihre Sammlung und Verwendung<br />

notwendigen finanziellen Mittel abzuschätzen,<br />

die Breite ihrer Einsatzmöglichkeiten kennen zu lernen<br />

und eventuelle Implikationen für die Verteilungsgerechtigkeit<br />

festzustellen. Unabhängig davon besteht jedoch<br />

rechtlicher Klärungsbedarf hinsichtlich der Verfügungsrechte<br />

am Nabelschnurblut, des Datenschutzes und der Finanzierungsgrundlagen<br />

für Nabelschnurblutbanken.<br />

Es muss geklärt werden, inwieweit die faktisch vorhandene<br />

Verfügungsmacht der Mutter/Eltern über das Nabelschnurblut<br />

insbesondere im Hinblick auf die Verwendung<br />

zu fremdnützigen Zwecken als ausreichend angesehen<br />

werden kann oder ob z. B. das Erreichen der Einwilligungsreife<br />

des Kindes bis zur Freigabe des Nabelschnurblutes<br />

für allogene Zwecke abgewartet werden muss. De<br />

facto kommen diese Bedenken allerdings nur zur Geltung,<br />

wenn sich wissenschaftliche Hinweise darauf ergeben<br />

sollten, dass eine autologe Verwendung von neonatalen<br />

Stammzellen der allogenen Verwendung überlegen ist.<br />

Die Einwilligung in die Entnahme von Nabelschnurblut<br />

zur Stammzellgewinnung sollte auch die Entscheidung<br />

darüber enthalten, ob es sich um eine gerichtete oder ungerichtete<br />

Spende handelt. Dabei kann das Wissen aus den<br />

erhobenen genetischen Daten vollständig oder zeitlich<br />

bzw. parameterbezogen abgestuft in Anspruch genommen<br />

342 Gordijn/Olthuis 2000.<br />

343 Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut 1999.

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