Deutscher Bundestag Zweiter Zwischenbericht - CDU Deutschlands
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – 27 – Drucksache 14/7546<br />
lichen Interesse in jedem Konfliktfall Vorrang eingeräumt.<br />
Die Richtlinien wurden besonders vor dem Hintergrund<br />
des experimentellen Einsatzes von fetalem Gewebe<br />
oder fetaler Zellen in der Transplantationsmedizin<br />
erstellt. Die Richtlinien nehmen keinen direkten Bezug<br />
auf die Verwendung von primordialen Keimzellen (EG-<br />
Zellen) zur Stammzellgewinnung, sind aber auch für<br />
diese relevant, da für die Herstellung primordialer Keimzellen<br />
auf embryonales oder fetales Gewebe zurückgegriffen<br />
werden muss.<br />
2. Allgemeine ethische und rechtliche Probleme<br />
der Stammzellforschung<br />
Ethische Fragen um die Forschung an Embryonen waren in<br />
der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand der Diskussion<br />
in Wissenschaft und Politik, aber auch in der Öffentlichkeit.<br />
Auf politischer Ebene befasste man sich bereits<br />
in mehreren Gremien intensiv mit dieser Thematik, so in der<br />
Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“,<br />
deren Abschlussbericht 1987 veröffentlicht<br />
wurde154 , oder in der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundesministers<br />
für Forschung und Technologie und des Bundesministers<br />
für Justiz „In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse<br />
und Gentherapie“, der sog. Benda-Kommission. 155<br />
Die <strong>Bundestag</strong>sdebatten über das Embryonenschutzgesetz<br />
und die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs berührten<br />
unmittelbar bzw. mittelbar dieses Feld. Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
befasste sich in dieser Legislaturperiode bereits in<br />
mehreren Sitzungen dezidiert mit dieser Problematik. 156 Besondere<br />
Aufmerksamkeit erlangte die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
mit der Veröffentlichung ihres Positionspapiers<br />
zur Stammzellforschung. 157<br />
Auf europäischer Ebene äußerte sich in jüngster Vergangenheit<br />
die European Group on Ethics in Science and New<br />
Technologies to the European Commission. 158 Ferner wurde<br />
vom Europäischen Parlament eine Entschließung zum<br />
Thema Klonen von Menschen angenommen. 159 Zudem arbeitet<br />
der „Nichtständige Ausschuss für Humangenetik und<br />
andere neue Technologien in der modernen Medizin“ beim<br />
Europäischen Parlament, der im November 2001 einen<br />
Endbericht vorlegen wird. Auch die European Science<br />
Foundation publizierte ein Standpunktpapier zur Stammzellforschung.<br />
160<br />
154 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> 1987.<br />
155 Bundesministerium für Forschung und Technologie und Bundesministerium<br />
für Justiz 1985.<br />
156 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>, Plenarprotokoll 14/172; <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>,<br />
Plenarprotokoll 14/182. Vgl. auch: Antwort der Bundesregierung auf<br />
die Große Anfrage der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Ulrike Flach,<br />
Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F. D. P.:<br />
Zur Notwendigkeit einer breiten öffentlichen Debatte zum „Therapeutischen<br />
Klonen“, <strong>Bundestag</strong>sdrucksache14/6229.<br />
157 Deutsche Forschungsgemeinschaft 2001.<br />
158 European Group 2000.<br />
159 So 1993 zum Klonen menschlicher Embryonen, 2000 zum Klonen<br />
von Menschen.<br />
160 European Science Foundation 2001.<br />
Auch in anderen Staaten gab und gibt es zahlreiche Institutionen,<br />
die sich explizit mit dieser Thematik befassen.<br />
Größere Aufmerksamkeit erhielten beispielsweise die Veröffentlichungen<br />
des britischen Committee of Inquiry into<br />
Human Fertilisation and Embryology, des sog. Warnock<br />
Committees 161 sowie der amerikanischen National Bioethics<br />
Advisory Commission 162 und der NIH 163 .<br />
2.1 Schutzwürdigkeit des Embryos<br />
Bevor über den verfassungsrechtlichen Status des Embryos<br />
in vitro zu sprechen ist, soll zunächst die ethische<br />
Bewertung dieser Problematik geschildert werden.<br />
2.1.1 Zur ethischen Beurteilung<br />
Zur ethischen Bewertung einer neuen Forschungstechnologie,<br />
wie sie sich zurzeit im Bereich der Forschung an<br />
humanen Stammzellen entwickelt, empfiehlt es sich, einem<br />
nach Zielen und Mitteln differenzierenden Beurteilungsverfahren<br />
zu folgen und zunächst nach der Legitimität<br />
der Ziele zu fragen, denen die ins Auge gefasste<br />
Forschung bzw. die durch sie ermöglichte Technologie<br />
dienen soll. Da auch hochrangige Ziele nicht jedes Mittel<br />
zu rechtfertigen vermögen, ist darüber hinaus nach der<br />
Vertretbarkeit der eingesetzten Mittel zu fragen, und zwar<br />
einschließlich der nicht intendierten Nebenwirkungen<br />
bzw. langfristigen Folgen. Dabei sind die gesellschaftlichen<br />
Bedingungen in Betracht zu ziehen, in deren Kontext<br />
die angestrebten Ziele stehen, wie auch die gesellschaftlichen<br />
Folgen zu prüfen, zu denen die Wahl der jeweiligen<br />
Zweck-Mittel-Zusammenhänge führen können.<br />
2.1.2 Die Ziele der Forschung an humanen<br />
Stammzellen<br />
Nach einer Phase der Forschung, die sich auf gewebespezifische<br />
(adulte) menschliche Stammzellen und gewebespezifische<br />
wie embryonale Stammzellen tierischen Ursprungs<br />
bezog, nahm die Stammzellforschung mit der im<br />
November 1998 erstmals erfolgten Identifizierung und Gewinnung<br />
pluripotenter menschlicher Stammzellen aus sog.<br />
„überzähligen“ Embryonen (ES-Zellen) 164 und aus primordialen<br />
Keimzellen abgetriebener Embryonen oder Feten<br />
(EG-Zellen) intensivere Formen an, und zwar sowohl in<br />
Bezug auf gewebespezifische adulte als auch auf embryonale<br />
Stammzellen, wobei im letzteren Bereich – dem Entwicklungsstand<br />
der Forschung entsprechend – bislang die<br />
tierexperimentelle Forschung im Vordergrund steht.<br />
Hinsichtlich der Ziele ist zu unterscheiden zwischen den<br />
Zielen, um derentwillen die derzeitige Forschung zumeist<br />
betrieben wird, und den Zielen, zu denen ihre Resultate<br />
über den intendierten Anwendungsbereich hinaus verwendet<br />
werden können.<br />
161 Committee of Inquiry into Human Fertilisation and Embryology<br />
1984.<br />
162 National Bioethics Advisory Commission 1999.<br />
163 National Institutes of Health 2001a.<br />
164 Vgl. Fußnote 145.