Deutscher Bundestag Zweiter Zwischenbericht - CDU Deutschlands
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Drucksache 14/7546 – 18 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode<br />
Zeit nicht zu rechnen. Unabhängig von den ethischen Problemen<br />
sind noch erhebliche technische und wissenschaftliche<br />
Schwierigkeiten zu überwinden.<br />
Die Probleme bei der Nutzung von Stammzellen als Zellund<br />
Gewebeersatz liegen vor allem darin, dass die Zellen<br />
zum einen schwierig zu vermehren sind und zum anderen<br />
bisher noch keine gezielte Differenzierung in einen Zelltyp<br />
möglich ist. Darüber hinaus ist bisher unklar, ob und<br />
inwieweit eine Integration und gewebespezifische Funktion<br />
der Zellen im menschlichen Körper überhaupt gelingen<br />
kann.<br />
Aus heutiger Sicht wird ein bestimmter Stammzelltyp für<br />
eine Zelltherapie im Bereich der verschiedenen oben aufgeführten<br />
Krankheitsformen vermutlich nicht ausreichen. 80<br />
Deshalb sind vor allem systematische und vergleichende<br />
Studien zum Vermehrungs- und Entwicklungspotenzial der<br />
Stammzellen unterschiedlicher Herkunft erforderlich, um<br />
ihr regeneratives Potenzial zu ermitteln.<br />
Bei der Verwendung von Stammzellen als Zell- und Gewebeersatz<br />
muss aus klinischer Sicht zwischen allogenen<br />
(heterologen) und autologen Zellen unterschieden werden.<br />
Während allogene Zellen eine andere genetische<br />
Ausstattung besitzen als die Empfängerin oder der Empfänger<br />
des Gewebes, liegt bei autologen Zellen eine genetische<br />
Identität vor. Zu den allogenen Transplantaten<br />
würden ES-Zellen und EG-Zellen zählen. Sowohl allogen<br />
als auch autolog könnten AS-Zellen81 und neonatale<br />
Stammzellen82 vorliegen. Die durch einen Zellkerntransfer<br />
hergestellten ES-Zellen würden sich vermutlich wie<br />
quasi-autologe Zellen verhalten.<br />
Bei der Transplantation allogener Zellen oder Gewebeverbände<br />
ist mit immunologischen Abstoßungsreaktionen<br />
zu rechnen, wie sie auch aus der Organtransplantation bekannt<br />
sind. Entsprechend wäre nach der Transplantation<br />
dieser gezüchteten Zellen die Unterdrückung der Immunabwehr<br />
erforderlich, die mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen<br />
verbunden ist. Analog zur Gewebetypisierung<br />
bei der Organspende wäre es möglich, die Spenderzellen<br />
nach Histokompatibilitätsklassen in Gewebebanken zusammenzufassen.<br />
Anders als bei Spenderorganen ist es jedoch<br />
auch denkbar, die genetische Ausstattung der Zellen<br />
zu verändern, bevor sie zur Differenzierung angeregt werden.<br />
Auf diese Weise könnten gezielt Gene ausgeschaltet<br />
werden, deren Produkte an der Auslösung von Abstoßungsreaktionen<br />
beteiligt sind. Erfahrungen liegen<br />
dazu aber nicht vor.<br />
80 Mündliche Mitteilung PD Dr. Wobus im Rahmen der nicht öffentlichen<br />
Anhörung am 23. April 2001.<br />
81 Die Verwendung heterologer AS-Zellen kommt aus folgenden Gründen<br />
infrage: autologe Zellen weisen einen Gendefekt auf, der für die<br />
ursprüngliche Erkrankung verantwortlich ist; Zeitmangel bei Therapiebeginn;<br />
Verfahren der Reprogrammierung zu aufwendig für individuelle<br />
Anwendung. Darüber hinaus ist die Auslösung einer leichten<br />
immunologischen Abwehrreaktion bei der Behandlung<br />
bestimmter Tumorerkrankungen sogar erwünscht (Graft-versus-<br />
Leukämie- oder Graft-versus-Tumor-Reaktion).<br />
82 Auf heterologe Stammzellen aus Nabelschnurblut müsste möglicherweise<br />
zurückgegriffen werden, weil bisher nur von wenigen<br />
Neugeborenen Stammzellen eingefroren werden.<br />
Nach der Transplantation autologer Zellen wäre keine<br />
Immunsuppression erforderlich. 83<br />
1.1.3.2.1 Zell- und Gewebeersatz aus ES-Zellen<br />
(allogen, heterolog)<br />
In einer Untersuchung konnte gezeigt werden, dass aus<br />
ES-Zellen entwickelte Spenderzellen in einem Tiermodell<br />
einer seltenen menschlichen Myelinerkrankung, der Pelizäus-Merzbacher-Krankheit,<br />
neue Myelinscheiden bilden<br />
konnten. 84 Ähnliche Strategien könnten möglicherweise<br />
zur Behandlung häufiger Myelinkrankheiten wie der<br />
Multiplen Sklerose eingesetzt werden. Allerdings handelt<br />
es sich bei der Multiplen Sklerose um eine Autoimmunerkrankung,<br />
die insofern nicht mit der vererbbaren Pelizäus-Merzbacher-Krankheit<br />
zu vergleichen ist. Außerdem<br />
wurden die Versuche an Tieren mit noch in der<br />
Entwicklung befindlichen Gehirnen gemacht. Eine Übertragung<br />
der Ergebnisse auf den Menschen ist fraglich, zumal<br />
wenn es sich um Erkrankungen im Erwachsenenalter<br />
handelt. Darüber hinaus werden bei Erkrankungen, die<br />
weite Abschnitte des Gehirns betreffen, wie beispielsweise<br />
die Alzheimersche Erkrankung, erfolgreiche Zelltransplantationen<br />
als wenig wahrscheinlich eingeschätzt,<br />
zumal eine Zellersatztherapie die Ursachen der Erkrankung<br />
(etwa die Entstehung der Eiweißplaques bei der Alzheimerschen<br />
Erkrankung) nicht behandelt, eine nachhaltige<br />
Therapie mit Stammzellen (gleich welcher Herkunft)<br />
daher kaum erreichbar erscheint. 85<br />
Über erste Erfolge im Tierexperiment wurde von der Differenzierung<br />
zu insulinbildenden Zellen und dopaminergen<br />
Neuronen zur Behandlung von Diabetes mellitus und<br />
Morbus Parkinson sowie dem Ersatz von Herzgewebe bei<br />
bestimmten Formen der Herzinsuffizienz berichtet. 86<br />
Langzeitstudien über die weitere Entwicklung und die<br />
Funktion der transplantierten Zellen im Empfängertier gibt<br />
es bisher nicht. Insbesondere bei der Transplantation von<br />
Nervenzellen und ihren Vorläufern muss mit Problemen<br />
gerechnet werden, die nicht allein durch die Verfügbarkeit<br />
von Stammzellen gelöst werden können. In verschiedenen<br />
Studien wurden Parkinsonpatienten mit Zellen aus abgetriebenen<br />
Feten 87 behandelt. Eine der jüngsten Studien<br />
stellte bei 15 % der Patienten nach der Transplantation<br />
starke Nebenwirkungen fest, insbesondere heftige Überbewegungen.<br />
88 Der klinische Nutzen war geringer als in<br />
83 Es wird diskutiert, dass auch bei ES-Zellen durch Zellkerntransfer<br />
(„therapeutisches“ Klonen) wegen der mitochondrialen DNA aus der<br />
Eizelle eine „milde Chemotherapie“ zur Bremsung der Immunabwehr<br />
notwendig werden könnte.<br />
84 Brüstle et al. 1999.<br />
85 Mündliche Mitteilung PD Dr. Wobus im Rahmen der nicht öffentlichen<br />
Anhörung am 23. April 2001.<br />
86 Klug et al. 1996; Lee et al. 2000; Soria et al. 2000; Lumelsky et al.<br />
2001.<br />
87 Es handelt sich dabei nicht um die bereits beschriebenen EG-Zellen,<br />
sondern um Vorläufer von Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin<br />
produzieren, der bei den Parkinsonpatienten in zu geringer Konzentration<br />
vorhanden ist.<br />
88 Freed et al. 2001.