Kinder besser schützen - Verband arbeits- und. berufsbedingt ...
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<strong>Kinder</strong> <strong>besser</strong> <strong>schützen</strong><br />
in den letzten Jahrzehnten eine Beschleunigung erfahren hat.<br />
Da dieser Prozess hormonell gesteuert wird, liegt es nahe, dass<br />
diese Entwicklung mit der Belastung mit hormonell wirksamen<br />
Chemikalien in Zusammenhang steht.<br />
Bei Jugendlichen aus Indien <strong>und</strong> Sri Lanka wurde in Untersuchungen<br />
beobachtet, dass die auffallende Vorverlegung der<br />
Pubertät einhergeht mit einer höheren Blutbelastung mit DDE<br />
(einem Abbauprodukt von DDT), das offenbar in die hormonelle<br />
Steuerung durch den Hypothalamus, das Regelungszentrum<br />
des vegetativen Nervensystems, eingreift (Parent et al., 2005).<br />
Eine Untersuchung über die regionale Verteilung frühzeitiger<br />
Pubertät in der Toskana belegt die stärkste Erhöhung in einzelnen<br />
ländlichen Ortschaften, in denen eine hohe lokale Belastung<br />
mit hormonellen Schadstoffen festzustellen war (Massart<br />
et al., 2005). Auch polybromierte Biphenyle (PBB) können<br />
in höheren Konzentrationen über eine Einwirkung während der<br />
Schwangerschaft, um den Zeitpunkt der Geburt herum <strong>und</strong><br />
über das Stillen zu einem verfrühten Pubertätsbeginn bei<br />
Mädchen führen (Blanck et al., 2000).<br />
Es lässt sich aber auch eine entgegengesetzte Entwicklung<br />
beobachten: Bei US-amerikanischen Mädchen konnten hohe<br />
Bleigehalte im Blut in Beziehung gesetzt werden zu einem verspäteten<br />
Beginn der Schambehaarung <strong>und</strong> der Menstruation<br />
(Wu et al., 2003). Auch Selevan et al. (2003) stellten in Abhängigkeit<br />
von der Bleikonzentration im Blut eine signifikant verminderte<br />
Körpergröße <strong>und</strong> einen verzögerten Beginn der<br />
Brust- <strong>und</strong> Schamhaarbildung bei afro-amerikanischen <strong>und</strong><br />
latein-amerikanischen Mädchen fest. Auch bei Frauen, die in<br />
der Nähe der italienischen Stadt Seveso leben, in der sich im<br />
Jahr 1976 ein Chemieunfall ereignete, bei dem große Mengen<br />
an Dioxin freigesetzt wurden, stellte man eine verfrühte<br />
Menopause fest. Je höher die Konzentration von Tetrachlordibenzodioxinen<br />
(TCDD) im Serum, desto früher setzte die Menopause<br />
ein (Eskenazi et al., 2005).<br />
Auch polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), die ein<br />
wesentlicher Bestandteil des Tabakrauchs sind, gelten als hormonelle<br />
Schadstoffe. Schon lange ist aus Tierversuchen bekannt,<br />
dass PAKs je nach Konzentration zu einer Zerstörung<br />
von Eizellen führen können (Mattison & Thorgeirsson, 1979).<br />
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So lässt sich auch bei Raucherinnen eine verminderte Fruchtbarkeit<br />
<strong>und</strong> ein vorzeitiger Eintritt der Wechseljahre feststellen<br />
(Baird & Wilcox, 1985), <strong>und</strong> auch bei Töchtern von Frauen, die<br />
während der Schwangerschaft geraucht haben, eine höhere<br />
Unfruchtbarkeitsrate (Weinberg et al., 1989).<br />
Auch synthetische Moschusverbindungen haben Auswirkungen<br />
auf die weibliche Fortpflanzungsfähigkeit. Die Verbindungen<br />
scheinen die Beziehung zwischen dem hormonellen Steuerungssystem<br />
im Zwischenhirn <strong>und</strong> den Eierstöcken zu stören <strong>und</strong> können<br />
dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. So<br />
untersuchte die Heidelberger Universitätsklinik das Blut von 152<br />
Frauen, die wegen gynäkologischer Probleme behandelt wurden.<br />
Dabei stellte sie fest, dass 95% aller Patientinnen mit mehr als<br />
65,5 Nanogramm pro Liter (ng/l) Blut belastet waren. Der Maximalwert<br />
lag sogar bei 1.183 ng/l (Eisenhart et al., 2001).<br />
6.4 Beeinträchtigungen des Immunsystems<br />
Die normale Entwicklung des Immunsystems erfolgt beim<br />
Menschen zwischen der 8. Schwangerschaftswoche (Beginn<br />
der Blutbildung) <strong>und</strong> dem 18. Lebensjahr (Erwerb des vollständigen<br />
Erinnerungsvermögens der Immunabwehr). Da sie eine<br />
genaue zeitliche Übereinstimmung mehrerer Prozesse an unterschiedlichen<br />
Stellen des Körpers <strong>und</strong> eine sehr feine Balance<br />
erfordert, können Umwelteinflüsse diese Entwicklung massiv<br />
verändern, verzögern oder auch ganz verhindern.<br />
Bereits die Belastung mit nur geringen Konzentrationen eines<br />
Schadstoffs, der in der Lage ist, das Immunsystem zu beeinträchtigen,<br />
kann – je nach Zeitpunkt seiner Einwirkung –<br />
höchst unterschiedliche Auswirkungen haben, je nachdem, in<br />
welcher Entwicklungsphase sich die Immunabwehr gerade<br />
befindet. Dabei ist das sich noch in der Entwicklung befindliche<br />
Immunsystem im Verhältnis zum Immunsystem in späteren<br />
Jahren um mehr als eine Größenordnung empfindlicher (World<br />
Health Organization et al., 2006). Die Folgen können ein erhöhtes<br />
Allergierisiko sein, z.B. Asthma, <strong>und</strong> Autoimmunerkrankungen,<br />
die wiederum den Schutz gegen Virus- <strong>und</strong> andere<br />
Infektionskrankheiten sowie gegen Krebs <strong>und</strong> weitere Tumoren<br />
beeinträchtigen können (Bellanti et al., 2003).