zum Download - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
zum Download - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
zum Download - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
stärkerem Maße im Sinne von persönlichem Nutzen, also Verwertbarkeit, also jetzt<br />
nicht rein ökonomisch, son<strong>der</strong>n das man wirklich einfach fragt, was bringt mir das.<br />
Ganz rational. Warum soll ich mich damit auseinan<strong>der</strong>setzen.“ (Interview 6, S. 11 f.)<br />
Richard Sennett hat in seinem Buch über den flexiblen Menschen darauf<br />
hingewiesen, was heute beson<strong>der</strong>s gefor<strong>der</strong>t ist: das „Selbstbewußtsein eines<br />
Menschen, <strong>der</strong> ohne feste Ordnung auskommt“ (SENNETT 2000, S. 79). Dies alles<br />
schließt, dies wird teils selbstverständlich vorausgesetzt, teils ausdrücklich<br />
eingefor<strong>der</strong>t, die Bereitschaft <strong>der</strong> Menschen <strong>zum</strong> lebenslangen Lernen als<br />
Grundhaltung ein (Interview 5, S. 11). Auch wenn man kritisch gegen Sennett in<br />
Rechnung stellen muss, dass er zu sehr aus <strong>der</strong> Perspektive einer (männlichen)<br />
Normalar<strong>bei</strong>tsbiographie heraus argumentiert (ein Phänomen, das historisch nur in<br />
<strong>der</strong> kurzen Prosperitätsphase <strong>der</strong> Nachkriegszeit als „normal“ gelten konnte), so hat<br />
er doch zweifellos Hinweise auf notwendige Schlüsselqualifikationen in <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne geliefert. Zu fragen bleibt, welche Bevölkerungsgruppen diesen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an permanenten (Selbst-) Entwurf genügen (können). Die<br />
Probleme einer drohenden Zwei-Drittel-Gesellschaft, die sich bereits abzeichnet<br />
(Interview 2., S. 15), bekommen insbeson<strong>der</strong>e die verantwortlichen Experten in <strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tsverwaltung zu spüren, die ihre neuen Zielgruppen wie folgt beschreiben:<br />
„Es sind also eher die, die bisher immer schon gescheitert sind und die nach <strong>der</strong> Schule<br />
keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, weil die schulischen Leistungen schwach<br />
waren, die dann irgendwann aber die Möglichkeit hatten, also ungelernte Ar<strong>bei</strong>t zu<br />
finden, sind im Laufe <strong>der</strong> letzten zehn Jahre sage ich mal kontinuierlich durch die<br />
Betriebe ausgetauscht worden gegen Leute mit Berufsabschluss. Bestes Beispiel, unser<br />
größter Ar<strong>bei</strong>tgeber hier in <strong>Bremen</strong>, Daimler-Chrysler, hat 16.000 Ar<strong>bei</strong>tsplätze, ist die<br />
größte Bäckerei in <strong>Bremen</strong>, weil nämlich Daimler zur Bedingung macht, wenn jemand<br />
<strong>bei</strong> uns am Band ar<strong>bei</strong>ten will, dann darf er das nur, wenn er nachweist, dass er einen<br />
anerkannten Berufsabschluss hat, ob das ein Friseur ist o<strong>der</strong> ein Bäcker o<strong>der</strong> ein<br />
Metallverar<strong>bei</strong>ter, das ist egal. Das spiegelt also diese Entwicklung auch ganz krass<br />
wie<strong>der</strong>. In <strong>der</strong> alten Autoindustrie spielte das keine Rolle, <strong>der</strong> wurde vierzehn Tage am<br />
Band eingear<strong>bei</strong>tet, dann hat er es drauf. Das gibt’s nicht mehr. [...] Da es sich in sehr<br />
zunehmendem Maße um Ar<strong>bei</strong>tslose und Ar<strong>bei</strong>tnehmer handelt, die bisher nicht<br />
gewohnt waren, sich beruflich aus- und weiter zu bilden und auch zu einem großen Teil<br />
nicht bereit waren dazu, weil das mit persönlichem Einsatz verbunden ist, wird es<br />
zunehmend schwerer, konzipierte Bildungsmaßnahmen mit entsprechend geeigneten<br />
Teilnehmern zu bestücken. Ich sage mal so ein Beispiel, um eine<br />
Weiterbildungsmaßnahme mit zwanzig Teilnehmern zu versorgen, müssen etwa 100 bis<br />
150 Bewerber ausgesucht werden, und manchmal klappt auch das nicht, weil die<br />
Vorbehalte gegenüber beruflicher Weiterbildung ich möchte fast sagen stärker<br />
geworden sind als früher. Das ist kaum vorstellbar, weil in <strong>der</strong> Öffentlichkeit je<strong>der</strong><br />
immer wie<strong>der</strong> hört, lebenslanges Weiterlernen, du bleibst auf <strong>der</strong> Strecke, wenn du nicht<br />
weiter lernst, das geht vor<strong>bei</strong>. Ich habe mal mit unserem psychologischen Dienst<br />
darüber gesprochen, <strong>der</strong> sagt, ganz normale Entwicklung, wenn jemand erst mal ein<br />
Jahr ar<strong>bei</strong>tslos ist, dann ist die Luft raus und dann traut er sich auch keine berufliche<br />
Weiterbildung mehr zu. Und er riskiert dann sogar in zunehmendem Maße noch weiter<br />
aus dieser Beschäftigungsgesellschaft heraus zu fallen, indem er <strong>zum</strong> Beispiel in Kauf<br />
nimmt, dass durch Nichtannahme von angebotener Ar<strong>bei</strong>t sein Leistungsanspruch<br />
erlischt und er da dem Sozialamt zur Last fällt, das wird in Kauf genommen. Das hängt<br />
einfach mit <strong>der</strong> psychischen Entwicklung zusammen, die im Laufe <strong>der</strong> Monate sich<br />
dahin entwickelt. [...] Gerade auch die neuen IT-Berufe, wäre ja wünschenswert, wenn<br />
wir da vielleicht noch mehr machen, noch mehr machen, aber wir haben ja gesagt, wir<br />
haben ja Schwierigkeiten, die Maßnahmen zu besetzen. Deshalb müssen wir auch<br />
immer natürlich berücksichtigen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Einrichtung von Maßnahmen, ja, haben wir<br />
überhaupt die Bewerber dafür. [...] Auch da hat sich im Laufe <strong>der</strong> Jahre etwas geän<strong>der</strong>t.<br />
Wir kannten so wie wir es heutzutage kennen in früheren Zeiten gar nicht so stark den<br />
35