17.09.2013 Aufrufe

Teil II - Jürgen Ritsert

Teil II - Jürgen Ritsert

Teil II - Jürgen Ritsert

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Deutschland zwischen 1900 und 1920, nicht zuletzt der jeweilige Führungsstil<br />

des Institutsleiters, bis in die Theorien der Seelenkunde hinein vermittelt hat.<br />

Wäre ich nun meinerseits gezwungen, eine gleichermaßen entschlossene<br />

Kurzdefinition zu schreiben, welche dem äußeren Anschein nach einverständige<br />

Bedeutungskern der Objektivitätsnorm für ein Lexikon der kurzen Wege<br />

zusammenfasst, dann sähe sie etwa so aus:<br />

„>Objektivität< erfordert konsensfähige Einstellungen, Haltungen und<br />

Handlungen, die den Sachen selbst gerecht werden.“<br />

Dieses Kürzel liefert genau so wenig Aufklärung wie das aus dem<br />

Wirtschaftslexikon, ist jedoch ganz gut geeignet, um eine Art Sortierraster für<br />

die Vielschichtigkeit der Dimensionen des scheinbar einheitlichen<br />

Objektivitätsbegriffes und der mit ihm verwobenen, wahrlich nicht allesamt<br />

„gelösten“ Probleme zu konstruieren. Wir stehen allein schon mit diesen beiden<br />

fragwürdigen Kurzangaben vor dem ganzen wissenschaftstheoretischen Ärger,<br />

den die ach so selbstverständliche Objektivitätsnorm bereitet und dürfen uns<br />

eines Füllhorns von Anschlussfragen angesichts der sie begleitenden<br />

Antwortversuche erfreuen. Querelen lassen sich nicht bei noch so komplexen<br />

und ausführlichen Analysen der Objektivitätsnorm vermeiden.<br />

Vokabeln wie „Konsens“ und „Sachgerechtigkeit“ in meiner Ganz-Kurz-<br />

Bestimmung hängen natürlich eng mit dem Subjekt-Objekt-Schema der<br />

Erkenntnistheorie zusammen. Auf der einen Seite findet sich die erkennende<br />

Instanz. Damit entsteht sofort das bekannte Problem, wie sich Erkenntnisakte<br />

und Erkenntnisleistungen der einzelnen empirischen Subjekte zu den ihnen allen<br />

zugesprochenen allgemeinen Kompetenzen wie ihr Denk- und Sprachvermögen<br />

verhalten? Wie kommen überhaupt einverständige Urteile über Sachverhalte<br />

(Konsens) zustande? Das allgemeine Erkenntnisvermögen wird oftmals als „das<br />

Subjekt“ bezeichnet. Es erscheint – je nach den Grundsätzen der jeweiligen<br />

Erkenntnistheorie – in verschiedenen Ausprägungen: als Nous, Idee,<br />

Bewusstsein, Denken, Vernunft, Subjekt, Geist, Diskurs, Sprache. Das alles sind<br />

bekannte Platzhalter. Auf der anderen Seite des elementaren Erkenntnismodells<br />

steht der Untersuchungsgegenstand. Auch an dieser Stelle tauchen hinlänglich<br />

geläufige Platzhalter wie das gesamte Sein, die Materie, der Stoff, eine<br />

Tatsache, das Faktum, das Ding, andere Personen, Artefakte, aber auch Themen,<br />

d.h. gedanklich-linguistische Materialien als allgemeiner Gegenstand einer<br />

Erkenntnisbemühung auf. Für den zu erkennenden Sachverhalt ist „Objekt“ das<br />

in den verschiedensten Lagern gebräuchlichste Wort. Im Bereich des Objektes<br />

sind nun auch die klassischen Wurzeln der Kategorie der „Objektivität“ zu<br />

suchen. Denn im lateinischen Verb „obicere“ steckt der Wortstamm „iacere“ –<br />

und das bedeutet „werfen“ („schleudern“). Es kommt so etwas wie das pilum,<br />

der römische Wurfspeer auf einen zu. „Obicere“ liest sich auch als<br />

2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!