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Teil II - Jürgen Ritsert

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Ad 3: Untersucherkritische Werturteile.<br />

Dieser Typus von Wertideen erhöht nach Sandra Harding die Objektivität<br />

sozialwissenschaftlicher Urteile dadurch, dass er alternative Wertesysteme der<br />

eigenen Kultur aufdeckt, welche die Wahl von Theorien und Begriffssystemen<br />

von Forschern beeinflussen. Das entspricht einer der Strategien der<br />

„Wertdiskussionen“ bei Weber.<br />

Ad 4: Gesellschaftskritische Werturteile.<br />

Um die Objektivität der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis zu fördern, müssen<br />

Wissenschaftler offen sein für andere moralische und politische Wertideen als<br />

die eigenen. Sie müssen geradezu nach diesen Alternativen suchen und die<br />

eigenen Ansichten für Überprüfungen an Unterschieden und Gegensätzen offen<br />

halten. Nur dadurch gewinnen sie ein Stück Einsicht in die tatsächliche Rolle<br />

von Wertideen in einer Kultur. Doch darüber hinaus müssen sie sich innovative<br />

Alternativen zu den Orientierungen ausdenken, die gesellschaftlich im Umlauf<br />

sind. So gesehen „muss der Sozialwissenschaftler aus erkenntnistheoretischen<br />

Gründen den Versuch machen, seinerseits Wertideen zu entwickeln, welche<br />

Alternativen zu den vorherrschenden Werten einer Gemeinschaft darstellen.“ 127<br />

Da hätte Weber wahrscheinlich nicht mitgespielt.<br />

Auch Sandra Harding betont – wie Weber – die besondere Rolle von<br />

Perspektiven und Erkenntnisinteressen in den Sozialwissenschaften. Um z.B. ein<br />

Phänomen als religiöse Zeremonie identifizieren zu können, muss der<br />

Beobachter zwar nicht seinerseits religiös, aufgrund der Kenntnis von Regeln<br />

einer gemeinsamen Kultur jedoch in der Lage sein, religiöse Praktiken von<br />

anderen zu unterscheiden. Gleichzeitig machen sich die verschiedenen<br />

Erkenntnisinteressen hinsichtlich der Untersuchungsgegenstände der Forschung<br />

bemerkbar. Und „Interessen unterscheiden sich nicht nur voneinander; sie stehen<br />

wesentlich in einem Gegensatz zueinander, der sich bei Wahrnehmungen von<br />

verschiedenen Stellungen im Raum nicht auftut.“ 128 Man muss sich daher in den<br />

Sozialwissenschaften Informationen möglichst von allen relevanten Stellungen<br />

im sozialen Raum bzw. im Feld einflussreicher Interessen verschaffen – soweit<br />

wir an sie herankommen; denn alles, was im Umlauf ist, lässt sich wahrlich<br />

nicht erfahren.<br />

Bis zu diesem Punkt bewegt sich Frau Harding nach meinem Eindruck ziemlich<br />

genau im Rahmen der Weberschen Lehre von der Wertbeziehung der Forschung<br />

und ihrer Abhängigkeit von Erkenntnisinteressen. Den Übergang zu genuin<br />

gesellschaftskritischen Werturteilen sucht sie in ihrem Aufsatz mit dem Hinweis<br />

127 A.a.O.; S. 206.<br />

128 A.a.O.; S. 207.<br />

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