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Teil II - Jürgen Ritsert

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einem strikten Ausschlussverhältnis zum absoluten Idealismus bzw. radikalen<br />

Konstruktivismus. Aber es handelt sich dabei um mehr als eine einfache<br />

Dichotomie. Denn im Lichte der dritten Stellung des Gedankens zur Objektivität<br />

muss bei der Selbstdarstellung und Selbstbegründung eines jeden der beiden<br />

Pole auf Bestimmungen des entgegengesetzten anderen zurückgegriffen werden.<br />

Anders ausgedrückt: Bei der näheren Bestimmung und Verteidigung des einen<br />

Pols gegen den anderen wird jeweils unter der Hand auf Merkmale des anderen<br />

zurückgegriffen. Insofern impliziert der eine Pol Bestimmungen des anderen in<br />

sich. Daher bezeichnet Fichte die Position, die er jenseits der Dichotomisierung<br />

der beiden dichotomischen Systeme der Erkenntnistheorie begründen will als<br />

„Real-Idealismus“ oder „Ideal-Realismus“. 176 Er zielt mithin auf ein<br />

Vermittlungsverhältnis zwischen den beiden Polen, das weder ihren Gegensatz<br />

völlig auflöst, noch die Notwendigkeit verkennt, dass zur immanenten<br />

Darstellung der einen Position zwangsläufig gegensätzliche Bestimmungen der<br />

an sich ausgeschlossenen anderen gehören. An diesem Tatbestand hat sich auch<br />

heute nichts geändert. So kann zum Beispiel der radikale Konstruktivismus den<br />

referentiellen Diskurs trotz allen Verbalradikalismus nicht in die<br />

einschränkungslose Selbstbezüglichkeit der Sprache, also ausschließlich in die<br />

Thematisierung von Themen auflösen. Denn ich bin z.B. fest davon überzeugt,<br />

dass auch ein besonders radikaler Konstruktivist morgens davon ausgeht,<br />

dringend eines Frühstückes zu bedürfen und nicht bloß den Begriff des<br />

Frühstückes zu sich nehmen zu müssen – gleichgültig, aus welchen materiellen<br />

Stoffen dieses sich tatsächlich zusammensetzt. „Vermittlung“ bedeutet somit die<br />

allgemeinste Struktur der Bewegung des Gedankens in der dritten Stellung zur<br />

Objektivität. Im Begriff der „Vermittlung“ versammeln sich exakt auch Adornos<br />

Ansichten vom Prinzip der Dialektik:<br />

„Dies ist eine innere Vermittlung; sie besteht darin, dass die beiden<br />

einander entgegengesetzten Momente nicht etwa wechselseitig<br />

aufeinander verwiesen sind, sondern dass die Analyse eines jeden in sich<br />

selbst auf ein ihr Entgegengesetztes als ein Sinnesimplikat verweist. Das<br />

könnte man das Prinzip der Dialektik gegenüber einem bloß äußerlich,<br />

dualistisch oder disjunktiv, unterscheidenden Denken nennen.“ 177<br />

Dieses Prinzip der Dialektik bezeichnet er gern als „Vermittlung ohne Mitte“:<br />

„Die Dialektik jener Momente (der expressiven und der konstruktiven<br />

Bestimmungen eines Kunstwerkes – J.R.) gleicht darin der logischen, dass<br />

nur im Einen das Andere sich realisiert, nicht dazwischen.“ 178<br />

176 J. G. Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794), Hamburg 1956, S. 198.<br />

177 Th. W. Adorno: Philosophische Terminologie. Zur Einleitung, Band 2, Frankfurt/M 1974.; S. 142.<br />

178 Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt/M 1970, S. 72.<br />

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