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Teil II - Jürgen Ritsert

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allen Beweis- oder Begründungsversuchen einfach so dahingestelltes<br />

Tatsachenurteil bedeutet an sich noch kein Vorurteil im ideologiekritischen<br />

Sinn, sondern kann sich später als eine brauchbare Hypothese oder als<br />

„spontaner Einfall“ herausstellen. Mehr noch: Ein artikuliertes Vorverständnis<br />

kann geradezu eine Bedingung von „Objektivität“ sein. Als „Perspektive“ ist es<br />

unvermeidlich. Umgekehrt wird ein „Vorverständnis“ in der Gestalt einer in der<br />

ersten Stellung des Gedankens stur dogmatisch vertretenen Theorie mit Recht<br />

als ein Störfaktor von „Objektivität“ angegriffen. Die entscheidende Frage ist<br />

und bleibt jedoch, wie sich die Objektivität beeinträchtigende, nicht zuletzt<br />

ideologische Vorurteile von Inhalten unterscheiden lassen, die als Bedingungen<br />

von Objektivität gelten können? Vor allem in 80er und 90er gibt es bei<br />

prominenten Vertreterinnen des Feminismus eine Diskussion über<br />

„Objektivität“, die sowohl übersichtliche Beispiele zur Beantwortung dieser<br />

Frage als auch für eine Reihe von Problemen liefern, wovor Antwortversuche<br />

grundsätzlich stehen.<br />

(<strong>II</strong>/6): Objektivität, Ideologie und patriarchalische Vorurteile.<br />

Einen besonders nachhaltig verzerrenden Einfluss auf „objektive“<br />

Wissensansprüche übt selbstverständlich die Bindung des Denkens und<br />

Handelns an eine womöglich mit fundamentalistischem Eifer, wenn nicht mit<br />

Gewaltbereitschaft verfochtene Ideologie aus. Kein Wunder also, dass<br />

Objektivitätsdiskussionen unmittelbar in Ideologiekritik übergehen können. Nur,<br />

was dem einen eine erkenntnisleitende Perspektive, kann dem anderen eine<br />

erkenntnisverzerrende Ideologie sein. Es taucht ein an die Unterscheidung der<br />

erkenntnisstörenden von den erkenntnisfördernden Faktoren anschließendes<br />

Schlüsselproblem auf: Nach welchen Kriterien soll man die unvermeidlicher<br />

Weise von gesellschaftlichen Wertideen gesteuerte Perspektive auf Sachverhalte<br />

von der ideologischen Trübung des Tunnelblicks unterscheiden? Eine der<br />

kürzesten und prägnantesten Definitionen von „Ideologie“ findet sich bei John<br />

Β. Τhompson:<br />

„Ideologie, ganz allgemein gesagt, bedeutet Sinngehalte im Interesse der<br />

Macht.“ 115<br />

Sinngehalte, also Ideen, Bilder, Bewusstseinsinhalte, Begriffe, Aussagensysteme<br />

(Diskurse), welche Macht und Übermacht verschleiern oder zur<br />

einschüchternden Schau stellen, vor allem aber: dem Erhalt oder der<br />

Erweiterung von Macht und Privileg dienen, können als „Ideologie“ bezeichnet<br />

werden. Es empfiehlt sich dabei nach meiner Auffassung allerdings „Macht“<br />

115 J. B. Thompson: Ideology and Modern Culture, Oxford 1990, S. 7.<br />

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