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Teil II - Jürgen Ritsert

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„professionelle Standards“ und zahllose andere dieser Art mehr. 78 Von da<br />

ausgehend nimmt der Gedanke bei ihm jene merkwürdige Wendung: Es gibt<br />

allem Anschein nach doch so etwas wie einen festen, „objektiven“ Boden des<br />

individuellen Denkens und Handelns, eben jenes „letztendliche Vokabular“, das<br />

wahrscheinlich nicht zufällig stark an Husserls Lebenswelt erinnert. Er nimmt<br />

sogar Sprachuniversalien an, auch wenn sie mit dem Vorbehalt einer „dünnen“<br />

Semantik versehen werden!<br />

Es ist vor allem jene anthropologische Grundannahme eines „letztendlichen<br />

Vokabulars“, mit deren Hilfe Rorty die am Prinzip der Solidarität orientierten<br />

Ironiker mit den am Prinzip der Objektivität orientierten Szientisten<br />

konfrontiert. Denn Ironiker hegen (a) radikale und hartnäckige Zweifel in Bezug<br />

auf das eigene „letzendliche Vokabular“, das sie selbst aktuell verwenden. Sie<br />

haben nichts für den „rechthaberischen Realismus“ (Steinert) übrig. Sie lassen<br />

sich (b) immer auch vom Vokabular beeindrucken, das von anderen Leuten oder<br />

in Büchern verwendet und seinerseits als letztendlich behandelt wird. Von daher<br />

beschreibt Rorty (c) Dialektik als Bemühung darum, Vokabularien<br />

gegeneinander auszuspielen, anstatt Aussagen auseinander abzuleiten.<br />

„Hegels sog. dialektische Methode stellt kein Verfahren der<br />

Argumentation oder eine Art und Weise dar, Subjekt und Objekt zu<br />

vereinen, sondern bedeutet schlicht und einfach eine literarische Fertigkeit<br />

– die Fertigkeit überraschende Gestaltwandlungen hervorzubringen,<br />

indem glatte, schnelle Übergänge von einer Terminologie in eine andere<br />

durchgeführt werden.“ 79<br />

Damit könnte durchaus auch das zweifellos sinnvolle Vorgehen gemeint sein,<br />

den gleichen Sachverhalt unter verschiedenen Perspektiven zu betrachten bzw.<br />

sprachlich auf verschiedene Weisen zu beschreiben und neu zu beschreiben. Die<br />

passende Metapher scheint dann das Prisma zu liefern, worin sich der gleiche<br />

Lichtstrahl so bricht, dass verschiedene Farbeindrücke entstehen. Auch Adornos<br />

„Denken in Konstellationen“ könnte als Beispiel dafür herangezogen werden.<br />

Auf diesem Hintergrund lehnt Rorty jedenfalls eine weitere Grundannahme des<br />

Szientismus (1. Stellung des Gedankens) in Verbindung mit dem naiven<br />

Realismus des Gemeinsinns ab.<br />

78 Ebd.<br />

79 A.a.O.; S. 78.<br />

Der Szientist unterstellt, „dass das Vorhandensein eines Begriffs im<br />

eigenen letztendlichen Vokabular sicher stellt, dass es sich auf etwas<br />

bezieht, was ein wirkliches Wesensmerkmal aufweist. Der Metaphysiker<br />

bleibt weiterhin dem Alltagsverstand dadurch verpflichtet, dass er die<br />

Plattituden nicht in Frage stellt, welche den Gebrauch eines gegebenen<br />

endgültigen Vokabulars, insbesondere die Plattitude nicht in Frage stellt,<br />

37

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