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Teil II - Jürgen Ritsert

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des Wunsches nach Objektivität und damit des Strebens nach Sachlichkeit und<br />

Unabhängigkeit von den persönlichen Stimmungen und Neigungen des<br />

einzelnen Subjekts (Dezentrierung). Man will sich nach seiner Deutung von<br />

Objektivität mit dieser Norm im Stile der ersten Stellung des Gedankens auf<br />

etwas beziehen, das sich unabhängig von den Lebensäußerungen anderer<br />

Menschen beschreiben lässt. Auf diesem Weg rückt – wie die Geschichte der<br />

abendländischen Philosophie zeige – Objektivität als Wahrheit an sich in das<br />

Zentrum des Denkens. Wahrheit wird dabei als eine Problematik verstanden, die<br />

man weder aus Eigennutz noch im Interesse des Gemeinwohls, sondern um ihrer<br />

selbst willen anstrebt. Im Zusammenhang damit sei schon bei Platon die<br />

Vorstellung des Einzelnen<br />

„als einer Gestalt (entstanden), die nicht vermöge der Meinungen seiner<br />

Gemeinschaft, sondern in unmittelbarer Weise mit dem Wesen der Dinge<br />

(den Ideen – J.R.) in Fühlung steht.“ 61<br />

Mit der Referenz auf die Welt der platonischen Ideen bezieht sich der Denkende<br />

auf ein Reich ewiger und objektiv seiender Bestimmungen, die dem normalen<br />

Sterblichen, welcher sich auf die Erscheinungen in den trügerischen Sinnen<br />

verlassen muss, nicht zugängig ist. Rorty hat aufgrund der Entwicklung der<br />

objektiven Naturerkenntnis im Zuge der modernen Aufklärung zudem den<br />

Eindruck, dass wir heutzutage<br />

„die Erben dieser objektivistischen Tradition (sind), in deren Zentrum die<br />

Voraussetzung steht, wir müssten lange aus unseren Gemeinschaften<br />

heraustreten, um sie im Hinblick auf etwas sie Transzendierendes zu<br />

untersuchen, nämlich im Hinblick auf das, worin sie und jede andere<br />

wirkliche und mögliche menschliche Gemeinschaft übereinstimmen.“ 62<br />

„Objektivität“ erscheint damit nicht so sehr als das Ergebnis individueller<br />

Anstrengungen, die persönlichen Neigungen und Vorurteile zurückdrängen,<br />

sondern als Resultat der Ausklammerung von (wenn man an die Terminologie<br />

von Husserl und Habermas anknüpft) Bestimmungen der gemeinsamen und<br />

gemeinschaftlichen „Lebenswelt“. Selbst die Interpretation von Objektivität als<br />

Intersubjektivität weist nach Rorty trotz ihres Zusammenhangs mit der<br />

Übereinkunft von Wissenschaftlern oftmals einen „objektivistischen“ Zug auf.<br />

Denn man landet letztlich bei der Utopie einer idealen Forschergemeinschaft,<br />

wobei die Solidarität (Intersubjektivität) ihre Urteile – im Einklang mit der<br />

Korrespondenztheorie der Wahrheit – durch die gleichsinnige und methodisch<br />

gleichlaufende Beziehung der Mitglieder der Forschergemeinschaft auf die<br />

nämlichen Sachen selbst gestiftet wird. Poppers „Approximationstheorie der<br />

61 A.a.O.; S. 12.<br />

62 A.a.O.; S. 13.<br />

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