Wahrheit“ liefert bei all seinem Fallibilismus, der ja wechselseitige Kritik voraussetzt, ein Beispiel dafür. „Diejenigen, die die Solidarität auf die Objektivität gründen wollen – nennen wir sie >>Realisten>Pragmatisten
„wahr“ sei als ein Prädikat für Urteile zu verstehen, das genau so viele unterschiedliche wie gegensätzliche Bedeutungen aufweisen, wie es Verfahren zur Rechtfertigung von Auffassungen überhaupt gibt. (c) Das dritte Verständnis von Relativismus bezeichnet er als die „ethnozentrische Auffassung“, wodurch sich sofort der Vorwurf des Kulturrelativismus aufdrängt. Der „ethnozentrische“ Standpunkt besagt, dass es „über Wahrheit oder Rationalität außer den Beschreibungen der vertrauten Rechtfertigungsverfahren, die eine bestimmte Gesellschaft – die unsere – auf diesem oder jenem Forschungsgebiet verwendet, nichts zu sagen gibt.“ 67 Das klingt in der Tat nach Ethnozentrismus und Kulturrelativismus. Aber Rorty verteidigt diese Variante, während er die beiden anderen ablehnt. Er bestreitet nicht, dass es für die Wahrheitstheorie unverzichtbare universalistische Kategorien gibt. Denn das Prädikat „wahr“ bedeute in allen Kulturen dasselbe (nur was??), wenn auch die Ansichten darüber, was es heißen könne, dass eine Vermutung zutrifft oder eine Aussage objektiv im Sinne von „wahr“ ist, sich von Kultur zu Kultur unterscheiden könne. Aber wieso soll das keine relativistische Aussage sein? Die Richtung der Antwort auf diese Frage lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Eine erste einschneidendere Differenz gegenüber Mustern des realistischen Gebrauchs des Eigenschaftswortes „objektiv“ (in seiner Bedeutung als „wahr“) tut sich da auf, wo Objektivität gleichsam als eine Adresse gedeutet wird. D.h.: Anderen wird bei der Verwendung des Prädikats „wahr“ in sämtlichen Sprachspielen die praktische Empfehlung gegeben, sich „unserer“ Ansicht anzuschließen. Damit ist jedoch das Relativismusproblem noch lange nicht vom Tisch. Denn nun ist es die Frage, wer wohl die Unsrigen seien. Da hat man auch bei Relativisten von Rortys dritter Art meistens die freie Auswahl. „Wir“, das Personalpronomen bewegt sich in einem Spektrum bewegen, das vom „ich“ des pluralis majestatis über die eigene kleine Gruppe oder Subkultur, weiter über Kollektive wie „der Mittelstand“ bis hin zur eigenen Gesellschaft oder kulturellen Tradition reicht. Das „Wir“ wird dann im gleichen Text meistens je nach dem aktuellem Bedarf verwendet. Doch im Grunde scheint der Pragmatismus, so wie ihn Rorty versteht, die Frage, ob eine Theorie „relativistisch“ sei oder nicht, einfach umkurven zu wollen. Rorty behauptet nicht, dass von „unserem“ eingespielten Konsens abweichende, „inkommensurable“ Anschauungen etwa einer anderen Kultur oder Subkultur gar keine Rolle für das objektive Wissen spielten. Die „ethnozentrische Auffassung“ des Pragmatisten besage im Gegensatz dazu, dass „die von einer anderen Kultur nahegelegten Annahmen überprüft werden müssen, indem wir sie mit Überzeugungen, die wir schon haben, zusammenzuweben versuchen.“ 68 So gesehen kann „objektives“, im Sinne des von „unserem“ Standpunkt dezentrierten und mit anderen Perspektiven vermittelten Wissens, im Angesicht von noch nicht in den Konsens integrierten, abweichenden, wenn nicht 67 Ebd. 68 A.a.O.; S. 20. 33