Teil II - Jürgen Ritsert
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„eine wertfreie, rein wissenschaftliche Forschung“ und (b) davon ausgeht, es<br />
könnten in der wissenschaftlichen Praxis „angemessene Verwendungsweisen<br />
von unangemessenen Verwendungsweisen“ des wissenschaftlichen Wissens<br />
unterschieden werden – mit dem Zusatzproblem, nach welchen Kriterien denn<br />
das angemessene vom unangemessenen Denken zu unterscheiden und das<br />
feministische zu favorisieren sei. 133 Um in dieser Hinsicht einen Schritt weiter<br />
zu kommen, setzt sich Mary Hawkesworth mit verschiedenen Positionen<br />
auseinander, bei denen die Autorinnen von einem zwangsläufigen<br />
Zusammenhang zwischen Objektivität und Objektivierung<br />
(Vergegenständlichung, Verdinglichung) ausgehen. Mit dieser Diskussion<br />
kommt auch ein radikaler Ideologieverdacht gegen das Objektivitätspostulat<br />
zum Zuge. M. Hawkesworth beschreibt ihn anhand dreier fundamentaler<br />
Modelle feministischer Wissenschaftskritik:<br />
(1) Das Kontaminationsmodell: Es geht in seinen entschiedensten Fassungen<br />
davon aus, jeder Anspruch auf „Objektivität“ müsse in einer (z.B.<br />
szientistischen) Verdinglichung (objectivation) ausmünden. „Nach dem<br />
Kontaminationsmodell verknüpft eine psychologische Notwendigkeit<br />
Objektivität mit der Vergegenständlichung“ des Bewusstseins. 134<br />
(2) Das Kommodifizierungsmodell: Hier wird die Verdinglichung des<br />
Bewusstseins auf die Universalisierung der Warenform im Kapitalismus<br />
zurückgeführt. Bei der Norm der Objektivität lässt sich das am Gebot der<br />
Zurückdrängung der „persönlichen Ungleichung“ der Forscherinnen und<br />
Forscher ablesen (Dastons und Galisons „mechanische Objektivität“). Es<br />
kommt eine Art „desensualisierte“ Rolle der Beobachter heraus. „Das<br />
Kommodifizierungsmodell legt die Vermutung nahe, dass die Suche nach<br />
Objektivität notwendigerweise eine umfassende Verdinglichung<br />
hervorriefe, welche notwendigerweise durch die Imperative der<br />
kapitalistischen Gesellschaft erzeugt wird.“ 135<br />
(3) Das Reduktionismusmodell: Dieses Modell führt die zwangsläufige<br />
Tendenz zur Verdinglichung des Bewusstsein von Wissenschaftlern auf<br />
„methodologische Techniken zurück, die das Quantifizierbare, das<br />
Messbare und Wiederholbare bevorzugen.“ 136 Durch die Orientierung an<br />
einem im Kontext exakter Methoden Objektivitätspostulat wird die<br />
Bedeutung persönlicher Bestimmungen des Subjekts, des<br />
Einfühlungsvermögens, der Sensibilität für Differenz und Vielfalt, die<br />
Rücksicht auf Alternativen folgenreich unterschätzt (Dastons und<br />
Galisons „strukturelle Objektivität“). Denn „zentral für Objektifikation ist<br />
133 A.a.O.; S. 19.<br />
134 M. Hawkesworth: From Objectivity …, a.a.O.; S. 159.<br />
135 A.a.O.; S. 161.<br />
136 A.a.O.; S. 158.<br />
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