Teil II - Jürgen Ritsert
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keine der Regeln versteht, die ihre merkwürdige Praxis steuern. Er selbst muss<br />
allerdings nicht unbedingt zauberhaft mit dem Ball umgehen können.<br />
„Also muss der Beobachter zuerst ein gewisses Spektrum sozialer<br />
Begriffe (d.h. moralisch-politischer Konzepte) als <strong>Teil</strong> seines eigenen<br />
Wertesystems verstehen und zweitens bereit sein, ein Urteil zu fällen,<br />
wann das Verhalten der anderen durch diese sozialen Begriffe strukturiert<br />
wird.“ 123<br />
Das deckt sich haargenau mit Max Webers Modell der Rückvermittlung der<br />
Perspektiven der Mitglieder einer Forschergemeinschaft an Wertideen in der<br />
historischen Wirklichkeit (<strong>Teil</strong> I). 124<br />
Ad 2: Aktorkritische Werturteile.<br />
Das Studium einer Handlung und/oder eines Handlungszusammenhanges<br />
verlangt normalerweise mehr als die Identifikation und die Klassifikation<br />
beobachtbaren Geschehens. Dabei macht sich vor allem die Differenz zwischen<br />
„subjektiver Zweckrationalität“ und „objektiver Richtigkeitsrationalität“<br />
(Weber) bemerkbar. Wie Frau Harding dies ausdrückt:<br />
„Und viele Handlungen, die dem Akteur als völlig rational vorkommen,<br />
erscheinen dem Beobachter als irrational.“ 125<br />
Wahrscheinlich bedeutet „rational“ hier wie bei Weber in erster Linie<br />
„zweckrational“. Wenn der Beobachter jedoch zwangsläufig auf „moralischpolitische<br />
Konzepte“ (s.o.) zurückgreifen muss, die seiner Kulturwirklichkeit<br />
entstammen, hängen wieder einmal viele Probleme an den Wertmaßstäben,<br />
womit sich die Perspektiven des Beobachters vermitteln. Unterliegt er einem<br />
„bias“, indem er alles im engen Licht seiner eigenen Kultur bzw. seiner<br />
Wertbeziehungen in dieser kritisch beäugt oder kann er auf allgemeine<br />
(universelle; überregionale) Maßstäbe der Vernunft zurückgreifen? Außerdem<br />
wird vom Beobachterstandpunkt aus oftmals der Anspruch erhoben,<br />
regelmäßige Ereigniszusammenhänge zu entdecken, welche den Erfahrungen<br />
und dem Wissen der Akteure in der Alltagswelt bislang nicht zugängig waren.<br />
„Der Sozialwissenschaftler greift auf seine heimischen Werte (!) zurück,<br />
um die wirklichen Regelmäßigkeiten und die ihnen zugrundeliegenden<br />
Determinanten zu entdecken, Regelmäßigkeiten, welche für die Akteure<br />
nicht sinnfällig waren.“ 126<br />
123 S. Harding: Four Contributions …, a.a.O.; S. 202.<br />
124 Vgl. <strong>Teil</strong> I dieser Seminarmaterialien.<br />
125 S. Harding: Four Contributions …, a.a.O.; S. 203.<br />
126 A.a.O.; S. 203.<br />
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