Teil II - Jürgen Ritsert
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adikalisierte Objektivitätskritik ein gleichermaßen schwerwiegendes Problem<br />
auf:<br />
„Die intellektuelle Gefahr liegt in der Sichtweise von Wissenschaft als<br />
einem bloß sozialen Produkt; damit löst sich Wissenschaft in Ideologie<br />
auf, und die Idee der Objektivität verliert ihren eigentlichen Sinn. In dem<br />
sich daraus ergebenden kulturellen Relativismus wird der modernen<br />
Wissenschaft jede emanzipatorische Funktion abgesprochen, und die<br />
Entscheidung über Wahrheitsfragen wird dem Bereich der Politik<br />
überantwortet.“ 140<br />
Damit ergibt sich zwangsläufig die nächste Frage, welche Dimensionen des<br />
Objektivitätsbegriffes mit der Idee einer „emanzipatorischen Funktion“ der<br />
Wissenschaften zusammenhängen? Zurückgewiesen werden von den hier<br />
kommentierten Autorinnen all jene Bestimmungen von „Objektivität“, welche<br />
zu den vielfältigen Merkmalen der „ersten Stellung des Gedankens zur<br />
Objektivität“ gerechnet werden können. So vor allem sämtliche Varianten des<br />
„Szientismus“ – S. Harding wählt stattdessen das Wort „Naturalismus“ –, also<br />
derjenigen Denkweisen, welche sich an einem bestimmten Bild der<br />
Naturwissenschaften und der naturwissenschaftlichen Methoden orientieren.<br />
Diesen geht es z.B. darum, „die der Physik unterstellten leidenschaftslosobjektiven<br />
Methoden nachzuahmen.“ 141 Man kann die entsprechende<br />
Denkungsart im Anschluss an Heinz Steinert auch als „rechthaberischen<br />
Realismus“ charakterisieren, wobei sich die Rechthaberei – was sich<br />
gegenwärtig beispielsweise an der als Pseudophysik auftretenden neoklassischen<br />
Wirtschaftslehre ablesen lässt – zum knochentrockenen<br />
Dogmatismus steigern kann. Der rechthaberische Realismus ist monistisch. Es<br />
gibt für ihn nur die eine objektive, wahre Perspektive auf den<br />
Gegenstandsbereich:<br />
„Wir haben uns im Alltag wie im Alltag der Wissenschaft an ein<br />
„rechthaberisches“ Modell von „Wahrheit“ gewöhnt: Es gibt eine und nur<br />
eine Wahrheit über die Dinge der Welt. Die steht uns zwar (gut<br />
Popperianisch) nur negativ zur Verfügung, indem wir nur zeigen können,<br />
was falsch ist – was an Wissen wir für zutreffend halten und was sogar<br />
„funktionieren“ mag, gilt nur bis auf „Widerruf“, kann vom Fortschritt der<br />
Wissenschaft überholt und widerlegt werden. Trotzdem ist da in diesem<br />
„rechthaberischen“ Modell irgendwo am Ende der Geschichte und der<br />
140<br />
E. Fox Keller: Feminismus und Wissenschaft, a.a.O.; S. 286.<br />
141<br />
S. Harding: Feministische Wissenschaftstheorie, a.a.O.; S. 87. Daher ist „der feministische Vorwurf<br />
männlicher Einseitigkeit zwar für die normale Wissenschaft bedrohlicher als die Forderung nach<br />
Gleichberechtigung, doch scheinen die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – ob sie nun<br />
feministisch sind oder nicht – davon auszugehen, dass er die Physik, die Chemie und das wissenschaftliche<br />
Weltbild nicht trifft (und auch gar nicht treffen kann).“ A.a.O.; S. 85.<br />
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