Foto: ingram Wie viel Zeit steht dem BetrieBsrat zu? Die Tätigkeit des Betriebsrates ist ein Ehrenamt. Dies erweckt bei manchen Arbeitgebern die Vorstellung, dass die mit dem Mandat verbundenen Tätigkeiten nur dann ausgeübt werden können, wenn keine dienstlichen Verpflichtungen entgegenstehen. Hier wird das Recht auf Freizeit zur Mandatsausübung übersehen. Text: Mag. Martin Holzinger 30 GÖD_<strong>Ausgabe</strong> 3_<strong>2007</strong>
Den Mitgliedern des Betriebsrates ist gemäß § 116 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) unbeschadet einer eigens geregelten BildungsfreistellungdiezurErfüllungihrerObliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren. Es ist keiner Bestimmung des ArbVG zu entnehmen, dass die betriebsrätliche Tätigkeit gänzlich oder überwiegend außerhalb der einzelvertraglich oder durch kollektive Rechtsnormen festgelegtenArbeitszeitgrenzen zu verrichten wäre.Es ist auch kein Grundsatz ableitbar, wonach die Betriebsratstätigkeit nur subsidiär zu den dienstlichen Aufgaben erfüllt werden darf, die dienstlichen Aufgaben also immer vorgehen. Die Beurteilung,in welchemAusmaß Freizeit zum Zwecke der Mandatsausübung erforderlich ist, obliegt dem jeweiligen Organmitglied.Diese freie Zeit steht jedoch nicht gänzlich unbeschränkt zu, die Betriebsräte haben gemäß § 39 Abs. 3 ArbVG ihreTätigkeit „tunlichst ohne Störung des Betriebes“ zu vollziehen. Der Gesetzgeber hat klar zum Ausdruck gebracht, dass durch die Mandatsausübung der <strong>Dienst</strong>betrieb beeinträchtigt werden kann, es liegt aber in der Verantwortung jedes einzelnen Betriebsratsmitglieds, bei der zeitlichen Einteilung dieser Tätigkeit den <strong>Dienst</strong>betrieb zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber muss somit eine gewisse „Störung der Betriebsabläufe“ hinnehmen. eigenverantwortung des Betriebsrates Damit ist eine Interessenabwägung verbunden, jedes einzelne Betriebsratsmitglied hat nach eigenem Ermessen jeden Einzelfall zu entscheiden, in welche Richtung das „Pendel“ dieser Abwägung ausschlägt. Im Falle der Kollision von Betriebsratstätigkeiten mit arbeitsvertraglichen Aufgaben gibt es keine „Standardregeln“,welcher der beiden Tätigkeiten der Vorzug zu geben ist – diese Entscheidung trifft das Mitglied einzelfallorientiert. Das ArbVG bringt damit klar zum Ausdruck, dass die Betriebsratstätigkeit ohne Entgeltschmälerung auch während der Arbeitszeit verrichtet werden kann. Die unberechtigte Inanspruchnahme von Freizeit stellt (außer in krassen Fällen) keinen Entlassungsgrund dar, bei Beweisbarkeit könnte jedoch ein Entgeltverlust erfolgen. Meldepflicht, kein Genehmigungserfordernis Das Betriebsratsmitglied hat grundsätzlich dem Arbeitgeber (meist dem/derVorgesetzten) mitzu teilen, wann es die Freizeit zur Mandatsausübung in Anspruch nimmt. Dies ist aus der allgemeinen Verpflichtung abzuleiten, wonach Abwesenheiten zu melden sind. Es besteht jedoch keineVerpflichtung, die zweckmäßige und widmungsgemäße Verwendung der Freizeit nachzuweisen. Ein Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht ist eine bloße Ordnungsvorschrift, welche die Kündigung eines Betriebsrates nicht rechtfertigt. 1) Verschwiegenheitspflicht hat Vorrang Damit allenfalls überprüft werden kann, ob Freizeit in einem „überschießenden“ Ausmaß in Anspruch genommen wurde, müsste wohl über Verlangen des Arbeitgebers in groben Zügen mitgeteilt werden, wozu die Freizeit verwendet wird und wie lange dieArbeitsverhinderung vermutlich dauert. Die Grenzen dieser inhaltlichen Auskunft sind jedoch in der Verschwiegenheitspflicht der Betriebsräte zu finden. Dies bedeutet, dass die Weitergabe jeglicher Information im obigen Sinne, welche erkennen lassen würde, für wen die Mandatare betriebsrätliche Aufgaben wahrnehmen, mit dem Hinweis auf die Verschwiegenheitsverpflichtung (§ 115Abs.4ArbVG) abzulehnen wäre. Probleme in der Praxis In einem konkreten Fall wurde einem Betriebsrat von der Geschäftsleitung aufgetragen, dass er sich, wenn er während der Arbeitszeit seinen Betriebsratsaufgabennachgehen müsse,bei seinem Vorgesetzten abzumelden habe. Dieser Aufforderung kam der Betriebsrat nach. In dieser Funktion wurde er durch die anderen Bediensteten des Betriebes auch während seinerArbeitszeit stark in Anspruch genommen und auch zu mehrerenVerfahren vor dem Arbeits und Sozialgericht Wien beigezogen, die zwischen dem Betrieb und einzelnenArbeitnehmern des Betriebes geführt wurden. Dieser Betriebsrat teilte einesTages vorArbeitsbeginn seinem Vorgesetzten mit, dass er an diesem Tag wegen einerArbeitsgerichtsverhandlung,welche aufgrund eines Rechtsstreites zwischen dem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer anberaumt wurde, nicht an der Arbeitsstelle erscheinen werde. Dies nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Betriebsrat die Weisung zu erteilen, zumindest einenTag vorher anzukündigen, wann er aufgrund derAusübung der Mandatsfunktionen nicht arbeiten werde, bei längerenTerminen auch schon früher.EinigeTage später teilte dieser Betriebsrat dem Arbeitgeber mit, dass er – unter anderem wegen KolleKtivverträge „Der ARBEIT GEBER muss eine gewisse STÖRunG der BETRIEBS ABläuFE hinnehmen.“ 1) Einigungsamt Graz vom 30. 6. 1983, Re 9/83, Arb 10.251. GÖD_<strong>Ausgabe</strong> 3_<strong>2007</strong> 31