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Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK

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henden künftigen Risiken angereichert. Wie bei allen anderen bisher geschilderten Risikosituationen<br />

gibt es natürlich mediz<strong>in</strong>ische <strong>und</strong> technische Lösungen, für oder gegen sich<br />

die Frauen aber unter dem enormen Geburtsstress <strong>in</strong> kürzester Zeit entscheiden müssen.<br />

Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass es dabei zu dem bereits öfter beobachteten "für-alle-Fälle"-<br />

Verhalten kommt, ist unter diesen Umständen hoch.<br />

Dass es lohnt, sich vor der Geburt mit entsprechenden Erkenntnissen zu beschäftigen <strong>und</strong><br />

damit Entscheidungen ohne den zusätzlichen Angstdruck zu treffen, zeigt das Beispiel<br />

Dammschnitt.<br />

Sieht man sich hierzu den Stand des wissenschaftlichen gesicherten Wissens an, gibt es<br />

selbst für diese häufigste operative Intervention ke<strong>in</strong>e wissenschaftliche Evidenz für e<strong>in</strong>e<br />

positive Wirkung auf die befürchteten oder als wahrsche<strong>in</strong>lich dargestellten Folgewirkungen<br />

von unkontrollierten Dammrissen <strong>und</strong> anderen physischen Schädigungen. Zu den<br />

behaupteten nachgeburtlichen Spätfolgen e<strong>in</strong>es Dammrisses gehören die körperlich <strong>und</strong><br />

mental äußerst belastende Harn- <strong>und</strong> Stuhl<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz. Da <strong>in</strong>sbesondere die Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz<br />

<strong>in</strong>sgesamt häufiger bei Frauen als bei Männern auftritt, brauchen viele Frauen ke<strong>in</strong>erlei<br />

wissenschaftlichen Beleg für e<strong>in</strong>en Zusammenhang von Geburt, Dammriss <strong>und</strong><br />

Inkont<strong>in</strong>enz. Sie s<strong>in</strong>d davon auch bereits aufgr<strong>und</strong> von Erzählungen überzeugt <strong>und</strong> nehmen<br />

das Angebot e<strong>in</strong>es Dammschnitts bereitwillig an.<br />

Mehrere jüngere wissenschaftliche Untersuchungen weisen aber darauf h<strong>in</strong>, dass es die<br />

positiven Wirkungen e<strong>in</strong>es Dammschnitts nicht oder nicht im versprochenen Umfang gibt.<br />

Schlömer et al (2003) fassen ihren Review der vorliegenden wissenschaftlich soliden Studien<br />

unmissverständlich so zusammen: "Der restriktive Gebrauch der Episiotomie (Dammschnitt<br />

- Anmerkung des Verfassers) bei vag<strong>in</strong>aler Geburt ist der rout<strong>in</strong>emäßig angewandten<br />

Episiotomie überlegen. Die Rate der Frauen mit Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz (nach 3 Monaten <strong>und</strong><br />

3 Jahren) ist <strong>in</strong> beiden Untersuchungsgruppen gleich. Die Episiotomie ist der häufigste<br />

chirurgische E<strong>in</strong>griff der Welt, obwohl die Effektivität oder der positive Nutzen dieser<br />

Intervention nicht belegt ist. Europaweit wird die Episiotomierate mit ca. 30 Prozent angegeben<br />

(...) Die restriktive Anwendung der Episiotomie hat ke<strong>in</strong>en negativen Effekt auf die<br />

Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz (...) Frauen ohne Episiotomie bei vag<strong>in</strong>aler Geburt leiden deutlich weniger<br />

an Stuhl<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz."<br />

Diese Ergebnisse bestätigen Geraedts <strong>und</strong> Neumann (2003, 69-70) gestützt auf mehrere<br />

von ihnen ausgewertete Literatur-Metaanalysen. Ergänzend ist die Hoffnung verfehlt,<br />

durch e<strong>in</strong>en druckentlastenden Dammschnitt könnten Hirnblutungen des K<strong>in</strong>des vermieden<br />

werden. Der "e<strong>in</strong>zige Vorteil" (69) läge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung der Verletzungen im<br />

Dammbereich.<br />

3.3.2 Gesichertes Wissen über qualitätssichernde <strong>und</strong> qualitätsabträgliche/gefährdende<br />

Aktivitäten vor, <strong>in</strong> <strong>und</strong> nach der Geburt<br />

Auch für den zentralen Bereich der Prozess- <strong>und</strong> Ergebnisqualität des Schwangerschafts<strong>und</strong><br />

Geburtsgeschehen für Mutter <strong>und</strong> K<strong>in</strong>d beabsichtigen wir nicht, e<strong>in</strong>en umfassenden<br />

praktischen Ratgeber für Schwangere <strong>und</strong> junge Mütter zu schreiben. Wir konzentrieren<br />

106 <strong>GEK</strong>-Edition

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