Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
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E<strong>in</strong>en Anreiz, möglichst rasch e<strong>in</strong> zweites oder drittes K<strong>in</strong>des zu zeugen <strong>und</strong> zu gebären,<br />
stellt auch die spezielle Variante des französischen K<strong>in</strong>dergeldsystems dar: Die<br />
Zahlung von K<strong>in</strong>dergeld erfolgt erst ab dem zweiten K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die K<strong>in</strong>dergeldzahlungen<br />
s<strong>in</strong>d auf die ersten drei Lebensjahre des K<strong>in</strong>des befristet.<br />
Die meisten der materiellen Veränderungen werden aber entweder nicht politisch<br />
beschlossen werden oder nicht optimal funktionieren, wenn sich nicht auch e<strong>in</strong> Teil<br />
der Mentalitäten <strong>und</strong> normativen Vorstellungen ändern. Dies bedeutet z.B. für<br />
<strong>Deutschland</strong>, sich von der speziellen Form von Subsidiarität abzuwenden, die k<strong>in</strong>derbezogene<br />
Leistungen vor allem an die Eltern auch der erwachsenen K<strong>in</strong>der fließen<br />
bzw. den Transfer über diese laufen lässt. Dieses Unterstützungskonzept beh<strong>in</strong>dert paradoxerweise<br />
die Gründung junger Familien oder Lebensgeme<strong>in</strong>schaften <strong>und</strong> die<br />
Gestaltung von Partnerschaften bei dem wachsenden Teil der jungen Erwachsenen,<br />
der mehr Zeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Ausbildung <strong>in</strong>vestieren muss. Verändern müssen sich dafür die<br />
Kriterien für das Selbständigwerden <strong>und</strong> -se<strong>in</strong> junger Menschen. Das <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
wesentliche Kriterium ist die berufliche Selbständigkeit. In Frankreich ist es dagegen<br />
das dauerhafte Zusammenziehen von Partnern <strong>und</strong> das Vorhandense<strong>in</strong> von K<strong>in</strong>dern.<br />
Da zahlreiche der hier <strong>und</strong> <strong>in</strong> anderen <strong>in</strong>haltlichen Zusammenhängen erwähnten Maßnahmen<br />
zum festen Bestandteil der erfolgreich ersche<strong>in</strong>enden französischen <strong>Geburten</strong>- <strong>und</strong><br />
Familienpolitik gehören, sollten aber auch die Selbstzweifel dieser Art von pronatalistischer<br />
Politik wahr <strong>und</strong> ernst genommen werden: "Ob verstärkte staatliche pronatalistische<br />
Maßnahmen sich positiv auf die <strong>Geburten</strong>rate auswirken, ist dennoch fraglich. In Frankreich<br />
zum Beispiel, wo e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong>tensive Familien- <strong>und</strong> Bevölkerungspolitik betrieben<br />
wird, hat sich die K<strong>in</strong>derzahl durch diese Maßnahmen „nur“ um circa 0,2 K<strong>in</strong>der je Frau<br />
erhöht: TFR= (total fertility rate/zusammengefasste Geburtsziffer - Anmerkung des Verfassers)<br />
= 1,66 im Jahr 1993, TFR = 1,88 im Jahr 2001. Zudem ist <strong>in</strong> Frankreich wie auch<br />
<strong>in</strong> den USA zu beachten, dass vor allem die ethnischen M<strong>in</strong>derheiten die günstige TFR im<br />
Vergleich zu <strong>Deutschland</strong> entstehen lassen. Tragen doch vor allem diese Gruppen mit<br />
e<strong>in</strong>em überdurchschnittlichen Anteil zu den relativ hohen <strong>Geburten</strong>raten bei" (Voigt 2005).<br />
2.5.2.2 Entlastung im derzeitigen K<strong>in</strong>der-"Zeitfensters"<br />
Neben den bereits vorgestellten Überlegungen, die Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf<br />
vor allem für die Frauen zu verbessern, gibt es weitere E<strong>in</strong>zelmaßnahmen, die e<strong>in</strong> zunächst<br />
e<strong>in</strong>mal unverändert "enges Zeitfenster" k<strong>in</strong>derfre<strong>und</strong>licher machen können:<br />
Zu den häufig mit Vorrang <strong>und</strong> nicht selten auch alle<strong>in</strong> genannten familienpolitischen<br />
E<strong>in</strong>zelmaßnahmen gehört die Verbesserung der Betreuungs<strong>in</strong>frastruktur zu Gunsten<br />
berufstätiger Eltern oder Mütter. Empirisch nachgewiesen ist u.a. mit Daten des Sozioökonomischen<br />
Panels (SOEP), "dass e<strong>in</strong>e verstärkte Förderung von K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen,<br />
<strong>in</strong>sbesondere auch das Angebot von Gantagesplätzen, die Erwerbstätigkeit<br />
von Müttern signifikant begünstigt" (Büchel/Spieß 2002, 95).<br />
Aktuell konstatiert das "Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)" e<strong>in</strong>e Versorgungslücke<br />
von 250.000 Betreuungsplätzen für K<strong>in</strong>der unter drei Jahren mit er-<br />
72 <strong>GEK</strong>-Edition