Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Mit dem Berg tatsächlicher oder auch nur verme<strong>in</strong>tlicher Probleme wird <strong>in</strong> unterschiedlicher<br />
Weise umgegangen: E<strong>in</strong> Teil der wissenschaftlichen <strong>und</strong> politischen Öffentlichkeit<br />
neigt zu e<strong>in</strong>em "demographischen Fatalismus", der den Bevölkerungsrückgang <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e<br />
gesunkene Fruchtbarkeit als "Naturtatsache" ansieht, "die sich nicht bee<strong>in</strong>flussen läßt, der<br />
man sich vielmehr lediglich anpassen kann" (Kaufmann 2005, 25). Zum Repertoire e<strong>in</strong>es<br />
"demographischen Aktionismus" gehören z.B. bezüglich ihrer F<strong>in</strong>anzierung gleich heftig<br />
umstritene Forderungen nach „mehr K<strong>in</strong>derbetreuungsplätzen“ oder e<strong>in</strong>e „Gebärprämie“.<br />
Andere politische Akteure beklagen, <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> bekämen „die Falschen die K<strong>in</strong>der. Es<br />
ist falsch, das <strong>in</strong> diesem Land nur die sozial Schwachen die K<strong>in</strong>der kriegen“ (FDP-MdB<br />
Bahr <strong>in</strong> BILD am SONNTAG vom 22.1.2005) <strong>und</strong> fordern, die Politik müse „Akademiker<br />
bei der Erfülung ihres K<strong>in</strong>derwunsches unterstützen“ (Bahr ebd.). Noch Andere beg<strong>in</strong>nen<br />
- gestützt auf e<strong>in</strong>e Reihe von Analysen im Aus- <strong>und</strong> Inland - an politischen Lösungen<br />
der Demografie-Probleme zu arbeiten, die sich von tagespolitischen Patentrezepten<br />
durch die Vielfalt der Ansatzpunkte, Anreize <strong>und</strong> Interventionsformen unterscheiden.<br />
Um die damit angerissenen Probleme <strong>und</strong> ihre tatsächliche Last erkennen <strong>und</strong> möglicherweise<br />
auch bee<strong>in</strong>flussen zu können, muss aber zuallererst möglichst viel von der "heißen<br />
Luft", dem „Pulverdampf“, der falschen E<strong>in</strong>deutigkeit <strong>und</strong> der schrecken- wie angstverbreitenden<br />
Wucht der maßgeblich von Schlagworten bestimmten Debatte entfernt werden.<br />
Deren Brisanz liegt nämlich nicht alle<strong>in</strong> dar<strong>in</strong>, dass sie Probleme theatralisch oder<br />
provokant beschreiben. Vielmehr erzeugen sie häufig selber <strong>und</strong> eigenständig erst e<strong>in</strong>en<br />
Teil des Problemdrucks, mit dem sie dann häufig die davon aufgerührte Öffentlichkeit<br />
alle<strong>in</strong>e lassen. Es geht darum, dem dom<strong>in</strong>anten Dramatisierungsdiskurs über die Bevölkerungsentwicklung<br />
e<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>es Schreckens zu nehmen, ohne damit e<strong>in</strong>en "Verharmlosungs-Diskurs"<br />
(Kaufmann 2005, 103) an se<strong>in</strong>e Stelle zu setzen.<br />
In e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht sollte man aber, um im Bild zu bleiben, nicht nur "heiße Luft" ablassen,<br />
sondern e<strong>in</strong>en Schwall "kalter Luft" <strong>in</strong> die Debatte e<strong>in</strong>führen. Dabei geht es darum, e<strong>in</strong>ige<br />
für die politische Gestaltung wichtigen Besonderheiten demografischer Diskurse zu berücksichtigen:<br />
Die Ursachen für bestimmte Zustände liegen meist Jahrzehnte zurück <strong>und</strong><br />
können auch meist nicht e<strong>in</strong>zelnen Akteuren <strong>und</strong> Bed<strong>in</strong>gungen zugeordnet werden. Die<br />
Effekte vieler jahrzehntealter Weichenstellungen <strong>und</strong> Entwicklungen hören nicht auf zu<br />
wirken oder sogar noch vorübergehend größer zu werden, wenn man heute andere Weichenstellungen<br />
beschließt. Nach dem heutigen politischen Verständnis falsche Entwicklungen<br />
können also durchaus noch Jahre <strong>und</strong> Jahrzehnte (u.a. bis zum Ende der Gebärfähigkeit<br />
der heute schon geborenen Mädchen oder Frauen) weiterwirken. Auch e<strong>in</strong>e Politik<br />
der aktiven E<strong>in</strong>flussnahme auf die Bed<strong>in</strong>gungen der Bevölkerungsentwicklung wird ke<strong>in</strong>e<br />
schnelen <strong>und</strong> quantitativ vorzeigbaren Lösungen „bis zum Ende e<strong>in</strong>er Legislaturperiode“<br />
erzielen. Dies liegt zum e<strong>in</strong>en daran, dass Frauen, die heute geboren werden, allerfrühestens<br />
nach 15 Jahren K<strong>in</strong>der bekommen können. Zum anderen spricht alles dagegen, dass es<br />
bei der Entwicklung von Bevölkerungen unter "normalen" Umständen (z.B. Abwesenheit<br />
von Krieg oder gewaltigen Wirtschaftskrisen) zu sprunghaften Entwicklungen, egal <strong>in</strong><br />
welche Richtung, kommt.<br />
<strong>GEK</strong>-Edition 7