Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
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3.3.3.3 Wesentliche Gründe <strong>und</strong> Argumente für den Wunsch-Kaiserschnitt<br />
Warum es trotz der e<strong>in</strong>deutigen Evidenz gegen e<strong>in</strong>en ohne akute Not durchgeführten<br />
"Wunsch"-Kaiserschnitt zu der bekannten quantitativen Entwicklung gekommen ist, kann<br />
besser verstanden werden, wenn man sich die Vielzahl <strong>und</strong> Vielfalt der Anreize, Motive<br />
<strong>und</strong> Erwartungen genauer ansieht, die im Verlaufe des Geburtsgeschehens wirksam s<strong>in</strong>d<br />
oder se<strong>in</strong> können.<br />
Bei der Entscheidung von Mutter, Arzt oder Hebamme, e<strong>in</strong>en Wunsch-Kaiserschnitt<br />
durchzuführen, spielen e<strong>in</strong>deutig nicht nur die Interessen <strong>und</strong> die spontane Situation der<br />
Mutter <strong>und</strong> ihres K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. H<strong>in</strong>zu kommen z.B. noch ökonomische<br />
Interessen <strong>und</strong> Anreize für die professionellen Akteure <strong>und</strong> ihre Institutionen, Mängel <strong>in</strong><br />
der Vorbereitung auf die Geburtssituation <strong>und</strong> falsche oder völlig fehlende Orientierungen<br />
<strong>und</strong> Erwartungen zum Charakter der Geburtssituation. Die Kenntnis von Bed<strong>in</strong>gungen,<br />
welche die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>es Wunsch-Kaiserschnitts fördern, ist auch<br />
deshalb wichtig, weil sich e<strong>in</strong>e Reihe von ihnen "von außen" bee<strong>in</strong>flussen lässt. Somit<br />
bestehen präventive Potenziale, jenen Teil der Kaiserschnitte zu verh<strong>in</strong>dern, der über der<br />
als potenziell notwendigen <strong>und</strong> nützlich angesehenen Rate liegt.<br />
Im E<strong>in</strong>zelnen handelt es sich vor allem um folgende Kaiserschnitt-förderliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>und</strong> Anreize:<br />
Der geplante Kaiserschnitt gilt bei den Krankenhausbetreibern als ökonomisch lukrativ:<br />
Die Krankenkassen zahlen derzeit im Durchschnitt 2.800 Euro pro Kaiserschnitt<br />
(es gibt aber auch Maximalpreise von 4.200 Euro), ungefähr doppelt soviel wie für e<strong>in</strong>e<br />
vag<strong>in</strong>ale Geburt (B<strong>und</strong> Deutscher Hebammen 2003; Ärzte Zeitung vom 4.6.2004).<br />
Der „Kaiserschnit ohne mediz<strong>in</strong>ische Indikation“ entspricht dem Wunsch der Ärzte<br />
nach juristischer Absicherung, den sie angesichts der zunehmenden Klagebereitschaft<br />
von Eltern mit e<strong>in</strong>em durch die vag<strong>in</strong>ale Geburt "geschädigtem" K<strong>in</strong>d hegen (ebd.).<br />
Gleichzeitig weist die DGGG auf "Erwägungen" der Haftpflicht-<br />
Versicherungswirtschaft h<strong>in</strong>, "Kl<strong>in</strong>iken sowohl mit überdurchschnittlichen als auch<br />
mit unterdurchschnittlichen Sectiofrequenzen wegen e<strong>in</strong>es gesteigerten Risikos die<br />
Versicherungsbeiträge höher zu bemessen" (DGGG 2004a, 1/2).<br />
Der Wunsch-Kaiserschnitt ist exakt term<strong>in</strong>ierbar, ermöglicht e<strong>in</strong>e wirtschaftlichere<br />
Auslastung der personellen <strong>und</strong> materiellen Kapazitäten des Krankenhauses <strong>und</strong> ersche<strong>in</strong>t<br />
somit auch durch das präsente OP-Team besser kontrollierbar (ebd.) Genereller<br />
fasst Schück<strong>in</strong>g (1999) die Interessenslagen der Krankenhausakteure so zusammen:<br />
"Für die Mehrzahl der Frauen <strong>in</strong> diesem Entscheidungsprozeß muss allerd<strong>in</strong>gs<br />
befürchtet werden, dass ihre Geburtsängste <strong>und</strong> schwangerschaftstypischen Ambivalenzen<br />
hier e<strong>in</strong>seitig <strong>in</strong>strumentalisiert werden im Interesse der Operateure."<br />
Auch die DGGG unterstreicht die Bedeutung dieser Antriebsgründe von Ärzten <strong>und</strong><br />
Krankenhäusern: "Mancher Arzt sieht sich auch aus Gründen, die mit der Größe, Besetzung<br />
<strong>und</strong> Organisation der geburtshilflichen E<strong>in</strong>heit zusammenhängen, mitunter<br />
124 <strong>GEK</strong>-Edition