Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
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schaffen, die es jungen Erwachsenen ermöglichen ihre Zukunft geme<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />
mit K<strong>in</strong>dern zu planen <strong>und</strong> zu realisieren" (Bertram et al. 2005, 6/7).<br />
2.4.5.1 Verschiebung des Zeitpunkts der Selbständigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höheres Lebensalter<br />
Der Zeitpunkt der sozialen, ökonomischen <strong>und</strong> räumlichen Selbständigkeit junger Menschen<br />
<strong>und</strong> der damit meist verb<strong>und</strong>enen Möglichkeit <strong>und</strong> Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, e<strong>in</strong>e Familie<br />
oder Lebensgeme<strong>in</strong>schaft zu gründen <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der zu zeugen, verschiebt sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten <strong>in</strong>sgesamt 29 <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höheres Lebensalter.<br />
Zu den Ursachen zählt die von e<strong>in</strong>er größeren Anzahl von jungen Menschen absolvierte,<br />
gesellschaftlich gewollte <strong>und</strong> geförderte längere Ausbildung, die nicht nur Lebenszeit<br />
"kostet", sondern auch noch bei Hochqualifizierten e<strong>in</strong>e spezifische Distanz zu K<strong>in</strong>derwünschen<br />
fördert. Nach den Ergebnissen e<strong>in</strong>er Umfrage des deutschen Hochschul<strong>in</strong>formationssystems<br />
(HIS) aus dem Jahre 2000 (zit. nach Bertram et al. 2005, 15) s<strong>in</strong>d die "meisten<br />
Student<strong>in</strong>nen (bei Studienbeg<strong>in</strong>n) der Auffassung, zwei oder mehr K<strong>in</strong>der seien Teil<br />
der eigenen Lebensplanung, woh<strong>in</strong>gegen am Ende des Studiums, abhängig vom gewählten<br />
Studienfach, bis zu 40 Prozent diese Me<strong>in</strong>ung nicht mehr vertreten." Aus den fachspezifischen<br />
Variationen des Anteils von Student<strong>in</strong>nen ohne K<strong>in</strong>derwunsch (z.B. s<strong>in</strong>d junge<br />
Frauen mit dem Studienfach Psychologie nur noch zu 60 Prozent sicher, wirklich K<strong>in</strong>der<br />
zu wollen) zieht Bertram (ebd.) den Schluss, "dass es nicht e<strong>in</strong> Kosten-Nutzen-Kalkül ist,<br />
das diese E<strong>in</strong>stellungen bee<strong>in</strong>flusst, sondern Vorstellungen, die mit der eigenen antizipierten<br />
Berufsrolle zusammenhängen" (Bertram et al. 2005, 15).<br />
E<strong>in</strong>en anderen analytisch unterscheidbaren Ursachenkomplex stellt die spezifisch deutsche<br />
Form der Elternfixierung <strong>und</strong> -abhängigkeit von K<strong>in</strong>dern dar, die erst mit dem Berufse<strong>in</strong>tritt<br />
beendet ist. Die häufig nur moralisch geführte Diskussion über das so genannte "Hotel-Mama-Verhalten"<br />
<strong>in</strong>sbesondere der jungen Männer hat es mit e<strong>in</strong>em sehr konkreten<br />
<strong>und</strong> auch über das Verlassen des Eltern-Haushaltes h<strong>in</strong>auswirkendem Verhaltenstyp zu<br />
tun. Dabei wird oft vernachlässigt, dass es sich dabei auch um politisch <strong>und</strong> nicht ohne<br />
staatlichen Eigennutz 30 geschaffene <strong>und</strong> damit auch wieder abschaffbare Bed<strong>in</strong>gungen für<br />
die langen Unselbständigkeitszeiten junger Erwachsenen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> handelt.<br />
29 Die Insgesamt-Entwicklung wird deshalb betont, weil diese Entwicklung zwischenzeitlich<br />
abbrach <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Trendumkehr erfolgt. Diese wurde aber mittlerweile erneut <strong>in</strong> die Richtung<br />
des Haupttrends umgekehrt.<br />
30 Auf diesen wichtigen Werte-H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> weisen Bertram et al. <strong>in</strong> ihrem familienpolitischen<br />
Gutachten h<strong>in</strong>: "Der deutsche Staat betont zum<strong>in</strong>dest bei den jungen Erwachsenen die Elternrechte<br />
vor allem deswegen, weil er dadurch Kosten spart. Nicht die jungen Erwachsenen selbst<br />
erhalten direkte Unterstützung, sondern immer die Eltern. Dah<strong>in</strong>ter steht e<strong>in</strong>e Vorstellung von<br />
Subsidiarität, die davon ausgeht, dass verwandtschaftliche Beziehungen bei Unterstützung <strong>und</strong><br />
Hilfe letztlich immer der staatlichen Unterstützung voranzugehen haben." (Bertram et al. 2005,<br />
22)<br />
52 <strong>GEK</strong>-Edition