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Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK

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2.4.5 Die Rolle der Verschiebungsprozesse von Selbständigkeit, Heirat <strong>und</strong> K<strong>in</strong>derwunsch<br />

<strong>in</strong>s höhere Lebensalter<br />

Zu den wichtigsten Determ<strong>in</strong>anten des aktuellen Umfangs <strong>und</strong> der Art der <strong>Geburten</strong>entwicklung<br />

gehören massive Verschiebungen der Zeitpunkte für selbständiges Leben, feste<br />

Partnerschaft, Zeugung, Geburt <strong>und</strong> Erziehung von K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höheres Lebensalter –<br />

Prozesse, die seit Jahrzehnten ablaufen. Angesichts der relativ zunehmenden biologischen<br />

Hemmnisse (z.B. s<strong>in</strong>kende Fruchtbarkeit mit zunehmendem Alter) <strong>und</strong> der absoluten<br />

Grenze der Gebärfähigkeit verkürzt sich durch die Verschiebungen aller oder e<strong>in</strong>es Teils<br />

der genannten Ereignise das objektive <strong>und</strong> subjektive „K<strong>in</strong>der-Zeitfenster“ erheblich.<br />

Auch wenn dies nicht zwangsläufig zur Zunahme von K<strong>in</strong>derlosigkeit oder der Abnahme<br />

der K<strong>in</strong>deranzahl pro Frau führen muss, erhöht sich die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit für beide Effekte<br />

beträchtlich. Wichtig für den weiteren Umgang mit den erzeugten Dynamiken ist,<br />

dass es sich vielfach um politisch <strong>und</strong> gesellschaftlich ausgelöste <strong>und</strong> gesteuerte Ereignisse<br />

handelt. Man kann daher auch zu Recht von den Folgen e<strong>in</strong>er "zeitlichen Strukturierung<br />

der Lebensverläufe durch den Staat" (Bertram et al. 2005, 45) sprechen.<br />

Der Familienforscher Bertram sprach angesichts der Fülle von Anforderungen jüngst von<br />

e<strong>in</strong>er „Überlastung der mitleren Jahre“, die es früher nicht gab <strong>und</strong> die dazu führt, das<br />

„viele junge Leute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeitfale sitzen: Sie solen <strong>in</strong>nerhalb weniger Jahre – zwischen<br />

25 <strong>und</strong> 35 – ales auf e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>kriegen: sich beruflich etablieren, e<strong>in</strong>en Haushalt aufbauen,<br />

e<strong>in</strong>e Familie gründen, die K<strong>in</strong>der erziehen, für die Rente vorsorgen. Und sie wissen<br />

dabei, das das Arbeitsleben mit 55 vieleicht schon vorbei ist“ (Interview <strong>in</strong> SZ vom 26.<br />

März 2005). Treffend charakterisiert wird dieser Lebensabschnitt auch als e<strong>in</strong>e Art biografische<br />

"Rushhour" (Bittman 2004).<br />

Nimmt man diese Charakterisierungen ernst, kommt man auch zu erheblich anderen als<br />

den geläufigen Schlussfolgerungen, wie die Inhalte <strong>und</strong> die "Stimmung" e<strong>in</strong>er Politik<br />

aussehen müssen, welche die <strong>Geburten</strong>rate <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> anheben möchte:<br />

Zum e<strong>in</strong>en verfehlen moralische oder vorwurfsvolle Tiraden bzw. Appelle gegen<br />

"verantwortungsloses Verhalten" die Mehrheit der zeugungs- <strong>und</strong> gebärfähigen Menschen.<br />

Diese versuchen sich nämlich unter den vielfältigen <strong>und</strong> tendenziell widersprüchlichen<br />

gegebenen äußeren Umständen, Erwartungen <strong>und</strong> Anforderungen rational<br />

zu verhalten. Da viele der "moralischen" Debatten mit dramatischen Darstellungen<br />

oder Prognosen z.B. über die Lage des "Wirtschaftsstandorts" operieren, könnte es<br />

sogar se<strong>in</strong>, dass ausgerechnet sie selber <strong>in</strong> erheblichem Maße zu der Zukunftsungewissheit<br />

oder -unsicherheit beitragen, die dann speziell junge Menschen davon abhält<br />

"<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche Welt K<strong>in</strong>der zu setzen".<br />

Zum anderen müssen familienpolitische Handlungs- <strong>und</strong> Gestaltungsvorschläge der<br />

Vielfalt der Problemlage gerecht werden. So plausibel <strong>und</strong> auf den ersten Blick machbar<br />

manche der e<strong>in</strong>zelnen f<strong>in</strong>anziellen oder organisatorischen Faktoren auch se<strong>in</strong> mögen,<br />

so sicher greifen e<strong>in</strong>dimensionale Vorschläge <strong>und</strong> Veränderungen zu kurz. Stattdessen<br />

muss "e<strong>in</strong>e nachhaltige Familienpolitik auf e<strong>in</strong>em Mix aus Infrastrukturpolitik,<br />

Zeitpolitik <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anzieller Transferpolitik aufbauen (...), um Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu<br />

<strong>GEK</strong>-Edition 51

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