Geburten und Geburtshilfe in Deutschland - Barmer GEK
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uns vielmehr darauf, Argumente <strong>und</strong> Erkenntnisse zusammenzutragen, welche die Lebensqualität<br />
von jährlich H<strong>und</strong>erttausenden von schwangeren Frauen <strong>und</strong> werdenden Vätern<br />
dadurch verbessert, dass sie von unnötigen <strong>und</strong> spezielle Schwangerschaftsprobleme erst<br />
erzeugenden Ängsten befreit werden, ihre Erwartungen versachlicht werden <strong>und</strong> auf ihre<br />
Handlungsmöglichkeiten h<strong>in</strong>gewiesen wird, die auf wissenschaftlich gesicherter Gr<strong>und</strong>lage<br />
qualitätsverbessernd wirken.<br />
Exkurs zum Charakter von Studienerkenntnissen der evidenzbasierten Mediz<strong>in</strong>: Bevor wir<br />
die Erkenntnisse zusammentragen, die auf der Basis von wissenschaftlichen Studien als<br />
evident oder gesichert gelten können, möchten wir drei Anmerkungen zum Charakter<br />
dieser Argumentationsgr<strong>und</strong>lage voranstellen:<br />
Die Pro- oder Contra-Entscheidung über die Methode der Entb<strong>in</strong>dung ist zuallererst<br />
e<strong>in</strong>e Entscheidung, welche die betroffene Schwangere oder Mutter nach Möglichkeit<br />
zusammen mit dem Vater, ihrer Hebamme <strong>und</strong> ihrer Ärzt<strong>in</strong> oder ihrem Arzt zu treffen<br />
hat. Ke<strong>in</strong>e noch so aufwändige wissenschaftliche Studie vermag die Vielzahl der <strong>in</strong>dividuellen<br />
physischen, psychischen, moralischen <strong>und</strong> kulturellen Bed<strong>in</strong>gungen von<br />
Mutter, Familie <strong>und</strong> des noch ungeborenen K<strong>in</strong>des zu erfassen <strong>und</strong> zu bewerten. Daher<br />
darf an diesem "letzt<strong>in</strong>stanzlichen" Entscheidungsrecht nicht gerüttelt werden.<br />
Was dies im Zusammenhang mit Kaiserschnitt im Extremfall heißen kann, führt die<br />
Kaiserschnitt-Leitl<strong>in</strong>ie der DGGG wie folgt aus: "Selbst wenn der Arzt die Entscheidung<br />
der Frau für „unvernünftig“ hält, hat er ihr Selbstbestimmungsrecht zu achten<br />
<strong>und</strong> solte wisen, das – nach e<strong>in</strong>er Formulierung des B<strong>und</strong>esverfasungsgerichts –<br />
ke<strong>in</strong> Patient verpflichtet ist, 'nach Maßstäben Driter vernünftig zu se<strong>in</strong>'“ (DGGG<br />
2004a, 7).<br />
Zu den zentralen Aufgaben der Personen im Umfeld der Mutter gehört allerd<strong>in</strong>gs, ihr<br />
möglichst vollständige Informationen über den bestmöglichen Stand des Wissens zu<br />
den erwartbaren Vor- <strong>und</strong> Nachteilen der Entscheidung für oder gegen e<strong>in</strong>e Kaiserschnittentb<strong>in</strong>dung<br />
oder e<strong>in</strong>e andere Intervention für die Mutter <strong>und</strong> ihr ungeborenes<br />
K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> angemessener Weise zur Verfügung zu stellen (Konzepte des "<strong>in</strong>formed" <strong>und</strong><br />
"shared decision mak<strong>in</strong>g").<br />
So wichtig evidenzbasierte Informationen s<strong>in</strong>d, so wichtig ist es, sich über bestimmte<br />
Grenzen dieses Wissens-Konzeptes bewusst zu se<strong>in</strong>. 57 Erstens weisen die angelsächsischen<br />
Protagonisten der evidenzbasierten Mediz<strong>in</strong> (EBM) immer wieder darauf h<strong>in</strong>,<br />
dass dieses neue Verständnis von Mediz<strong>in</strong> nicht alle<strong>in</strong> auf den Ergebnissen wissenschaftlicher<br />
Studien basiert. Sackett et al (2000) nennen auf die Frage "what is EBM?"<br />
zusätzlich <strong>und</strong> gleichberechtigt die Erkenntnisse <strong>und</strong> Bed<strong>in</strong>gungen der kl<strong>in</strong>ischen Praxis<br />
sowie die "patient values". Damit ist natürlich e<strong>in</strong>e evidenzbasierte Vorgehensweise<br />
<strong>und</strong> Entscheidung nicht e<strong>in</strong>facher geworden. Es ist aber gerade unter Bezug auf die<br />
evidenzbasierte Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>Geburtshilfe</strong> unzulässig die Sichtweise <strong>und</strong> Entscheidung<br />
der Mutter durch evidente Erkenntnisse aus Studien an den Rand zu drängen.<br />
57 siehe dazu z.B. Berg/Timmermanns 2003<br />
<strong>GEK</strong>-Edition 107