11.10.2013 Aufrufe

Hand und Auge

Hand und Auge

Hand und Auge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

durch seine weitere Evolution zur Lautsprache fortentwickelt (neu funktionalisiert).<br />

Die Gestenforschung ist seit etwa einem Jahrzehnt als Bereich der Psycholinguistik<br />

ausgebaut worden. In McNeill (1992) <strong>und</strong> Kita (1997) wird<br />

empirisch nachgewiesen, daß Gesten bildhaft-konzeptuell klassifizieren<br />

<strong>und</strong> beschreiben. Bei der Nacherzählung eines Zeichentrickfilms, in dem<br />

die Katze, Sylvester, versucht, im Inneren eines Abfallrohrs zur Maus auf<br />

dem Dach zu gelangen, beschreiben die Sprecher in verschiedener Weise<br />

die Aufwärtsbewegung im Rohr: aufwärts zeigender Finger <strong>und</strong> <strong>Hand</strong>,<br />

zusätzliche Bewegung der Finger (“klettern”), halbgeschlossene <strong>Hand</strong><br />

aufwärts gerichtet (“das Innere des Rohrs”), Drehbewegung, gestischer<br />

Übergang von der Horizontalen in die Vertikale. Die Bewegungen geben<br />

Richtung, Art <strong>und</strong> Weise (Form) <strong>und</strong> Bewegungsmuster im Filmgeschehen<br />

wieder. Das Objekt selbst, z.B. die Katze, wird hier meist kontextuell<br />

oder kotextuell (im gesprochenen Text) vorausgesetzt. Das Objekt ist<br />

also in erster Linie dynamisch repräsentiert, entsprechend sind die Gesten<br />

zeitgekoppelt mit Verben, Adverbien oder Präpositionen.<br />

Die Preisfrage ist natürlich, ob die gestische <strong>und</strong> die lautliche Realisierung<br />

auf dieselben kognitiven Repräsentationen verweisen, diese also nur<br />

verschieden (auch verschieden komplex) realisieren; d.h. haben Gesten<br />

eine eigenständige Bedeutung? McNeill (ibid.: 105) gibt eine entschieden<br />

positive Antwort:<br />

“Gestures are not just movements and can never be fully explained in<br />

purely kinesic terms. They are not just the arms waving in the air, but<br />

symbols that exhibit meanings in their own right. They have a meaning<br />

that is freely designated by the speaker. The hand can represent a character’s<br />

hand, the character as a whole, a ball, a streetcar, or anything else;<br />

the space likewise can be freely designated — a table top, a street, the side<br />

of a building, midair. In other words, the gesture is capable of expressing<br />

the full range of meanings that arise from the speaker.”<br />

Daß eine Geste im Kontext verschiedenes bedeuten kann, ist dann,<br />

wenn man die Polysemie <strong>und</strong> kontextuelle Vagheit der Wörter, ja ihre<br />

Weglaßbarkeit in mündlicher Kommunikation (besonders in Sprachen,<br />

deren Verbmorphologie den Typ der zu ergänzenden Nominalkonzepte<br />

markiert) beachtet, kein Gr<strong>und</strong> ihr den Charakter einer Darstellung von<br />

Objekten <strong>und</strong> Konzepten (im Sinne Piagets) abzusprechen.<br />

Die Analyse der Gestik macht jedenfalls deutlich, daß Repräsentation<br />

keine vom Körperlichen <strong>und</strong> auf die Umwelt bezogenen (ökologischen)<br />

Verhalten losgelöste Erscheinung darstellt. Sie kann als evolutionäre <strong>und</strong><br />

ontogenetisch emergente Eigenschaft des Menschen angesehen werden,<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!