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Das Tier in der Religion, mit hundertzwei Abbildungen

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sche<strong>in</strong>en. Auch können diese Heiligen Wochen<br />

und Monate ohne Nahrung leben.<br />

In dem feierlichen Ritual, <strong>in</strong> dem die Seelen-<br />

tafel des Verstorbenen angefertigt wird, hält<br />

e<strong>in</strong> Trauern<strong>der</strong>, meistens <strong>der</strong> älteste Sohn,<br />

diese Tafel, während <strong>der</strong> Mandar<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Tu-<br />

sche entwe<strong>der</strong> <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>igen Tropfen We<strong>in</strong> vermischt<br />

o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> dem Blut aus dem Kamm<br />

e<strong>in</strong>es weißen Hahnes. Während dann <strong>der</strong> Man-<br />

dar<strong>in</strong> die Zeichen <strong>der</strong> Tafel aufträgt, macht<br />

die Musik ihren größten Lärm, und man sieht<br />

daraus, daß dieses Zeichen <strong>der</strong> Seelentafel<br />

e<strong>in</strong>e Handlung ist, bei <strong>der</strong> die Gefahr für den<br />

Toten am größten ist, das heißt, se<strong>in</strong> künfti-<br />

ges Schicksal wird <strong>in</strong> diesem Augenblick ent-<br />

schieden, denn sobald die Seelentafel fertig<br />

ist, ist auch das Fortleben gesichert. Obwohl<br />

über diese Feier kaum wesentliche Kommen-<br />

tare vorhanden s<strong>in</strong>d, sche<strong>in</strong>t es doch, als wenn<br />

hier schon <strong>der</strong> Mandar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Richteramt <strong>in</strong>ne-<br />

hat und se<strong>in</strong> Verfertigen <strong>der</strong> Seelentafel e<strong>in</strong><br />

günstiges Urteil und die Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

künftiges Leben bedeutet. Der Mandar<strong>in</strong> han-<br />

delt <strong>in</strong> diesem Augenblick durchaus als Prie-<br />

ster. Wo e<strong>in</strong> Priester ist, bestand aber auch<br />

die Vorstellung e<strong>in</strong>es Richtergottes, und das<br />

Vermischen <strong>der</strong> Tusche <strong>mit</strong> dem Blut des<br />

weißen Hahnes läßt bestimmt das ältere Hahn-<br />

opfer und se<strong>in</strong>e Bedeutung erkennen.<br />

DAS PFERD. Bevor <strong>der</strong> Tote fortgetragen<br />

wird, f<strong>in</strong>det noch heute e<strong>in</strong> großes Totenmahl<br />

statt. Ihm werden Teller <strong>in</strong> großer Zahl vor-<br />

gesetzt, und zwar stets e<strong>in</strong>e gerade Zahl von<br />

Tellern, weil die Zahlen 2, 4, 6, 8 dem Y<strong>in</strong> und<br />

dem Tode angehören.<br />

Der Haupttrauernde, meistens <strong>der</strong> älteste<br />

Sohn, beugt se<strong>in</strong>e Stirn drei- o<strong>der</strong> viermal zu<br />

Boden und verweilt e<strong>in</strong>ige Augenblicke <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

letzten Verbeugung. Wenn man durch Orakel-<br />

stäbe festgestellt hat, daß die Seele gegessen<br />

26<br />

hat, werden die Teller gere<strong>in</strong>igt und falsches<br />

Papiergeld verbrannt. Dieses zeremonielle Op-<br />

fer heißt: Die Pferde loslassen.<br />

Heute werden bei <strong>der</strong> Beerdigung ke<strong>in</strong>e Pfer-<br />

de mehr gebraucht. Früher aber wurden die<br />

Opferwagen von Pferden gezogen und auch<br />

das Gefolge ist früher <strong>in</strong> Wagen gefahren.<br />

Noch weiter zurück f<strong>in</strong>det man, daß Pferde<br />

als Geschenke den Toten gesandt werden, und<br />

wenn man dann auf die älteste Zeit zurück-<br />

greift, so f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Han-Dynastie e<strong>in</strong>en<br />

Bericht, daß außer fabelhaften Mengen von<br />

Nahrungs<strong>mit</strong>teln und Gebrauchsgegenstän-<br />

den aller Art e<strong>in</strong>em Kaiser neun Staatswagen<br />

sowie 36 Strohmänner und Strohpferde <strong>in</strong>s<br />

Grab <strong>mit</strong>gegeben wurden. Da man ebenfalls<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er alten Zeit f<strong>in</strong>det, daß e<strong>in</strong> Verbot er-<br />

lassen werden muß, bei Trauerfeiern Pferde<br />

zu töten, sowie Gold, Silber und sonstige<br />

Wertsachen <strong>in</strong>s Grab <strong>mit</strong>zugeben, kann man<br />

aus diesem Erlaß e<strong>in</strong>er sche<strong>in</strong>bar sehr armen<br />

Periode erkennen, daß auch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>e Sitte<br />

bestanden hat, zusammen <strong>mit</strong> Kaisern und<br />

Fürsten etc. <strong>der</strong>en Pferde und Sklaven zu be-<br />

graben, denn das alle<strong>in</strong> kann <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

Strohmänner und Strohpferde se<strong>in</strong>.<br />

Es ergibt sich gleichzeitig, daß das heute ver-<br />

brannte falsche Papiergeld e<strong>in</strong> Ersatz ist für<br />

die früheren außerordentlich großen Toten-<br />

Opfer und Grabbeigaben, und man kann im<br />

übrigen auch heute noch sagen, daß <strong>der</strong> Chi-<br />

nese zu ke<strong>in</strong>er Zeit e<strong>in</strong>en solchen Pomp ent-<br />

faltet wie bei <strong>der</strong> Beerdigung. Familien stür-<br />

zen sich bei dieser Gelegenheit <strong>in</strong> so große<br />

Schulden, daß sie oft daran zugrunde gehen,<br />

aber nichts ist ihnen wichtiger, als für die<br />

eigenen Vorfahren zu sorgen.<br />

Drei D<strong>in</strong>ge möchte ich <strong>in</strong> diesem Zusammen-<br />

hang noch erwähnen. Die Sitte, den Toten<br />

e<strong>in</strong>en großen Teil ihres Besitzes <strong>in</strong>s Grab <strong>mit</strong>-

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