Das Tier in der Religion, mit hundertzwei Abbildungen

gefunden wurde. Ob es als eine anormale Bil-
dung einer anderen Tierart möglich ist, wäre
zwar zu prüfen, bleibt aber unwahrschein-
lich.
Die Bislateralität aller Tiere und Wesen ist
für die Vorzeit ebenso bekannt gewesen, wie
heute. Der Grundsatz vom Yang und Yin
hat auch in der Zweiseitigkeit oder Zweihälf-
tigkeit der Menschen und Tiere ihre Unter-
stützung gefunden, denn die linke und rechte
Seite sind stets verschieden bewertet wor-
den.
Wenn nun das Einhorn sowie das Nashorn in
Afrika eine Ausnahme von der Regel machte,
so ist die hohe Bedeutung dieses Tieres für
eine vorgeschichtliche Auffassung durchaus
klar. Das Einhorn war gleichbedeutend mit
den Fürsten und Kaisern und schließHch auch
mit der Sonne selbst.
Obwohl wir aus China über das Einhorn, das
den Namen Ki-men hat, nur wenig Berichte
vorfinden, sieht man doch aus dem einzigen
Satz, daß ein Einhorn die Ankunft bedeuten-
der Herrscher verkündet, wie die Reihenfolge
der Vorstellungen ging. Das Tier wird in die-
sem Zusammenhang angesehen als der Vor-
läufer des Menschen. Das Erscheinen eines
ungewöhnlichen Tieres hat stets auf die Men-
schen Bezug, und besonders wenn das Tier
ein solches von hohem Alter ist, denn es heißt,
wie schon oft erwähnt, in der chinesischen
Psyche, daß Tiere von hohem Alter sich in
Menschen verwandeln können.
DER DRACHE. Für ihn gilt zunächst das
gleiche wie für das Einhorn. Wir haben in ihm
bestimmt einen Vertreter aus der Saurierzeit
zu sehen, der ja auch in Europa durch alle
Sagen und Mythen bezeugt wird. Im Westen
und Osten finden wir einheitUch, daß der Dra-
che besonders in Sümpfen gefunden wurde.
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und zweifellos war China in der Zeit frühester
Einwanderungen ein ungeheures Dickicht von
Dschungel und Urwald.
Da der Drache eine viel ungewöhnlichere Er-
scheinung gewesen ist, hat er in China eine
viel größere Rolle gespielt wie das Einhorn,
und nur aus seinem wirkUchen Vorkommen
kann man die Attribute, die ihm zugelegt
wurden, richtig verstehen.
Der Drache ist das Tier des Ostens geworden,
weil ihn die Völker antrafen, die von Westen
her in den Urwald vordrangen. Der Drache
ist der Herrscher von Wasser und Wolken.
Als ihn die Menschen kannten, ging er aus
den dunstigen Niederungen hervor. Als er aus-
starb, haben die Menschen ihn an den Him-
mel versetzt und erkannten ihn wieder in den
abenteuerlichen Formen der Wolken. Aus den
Niederungen stiegen die Feuchtigkeiten auf
und wurden am Himmel zu Wolken, welche
die Sonne bekämpft haben. Während also in
Westeuropa der Drache mit Recht der Feind
der Sonne war, weil er versuchte, sie zu un-
terdrücken und zu verdunkeln, wurde er im
Osten das segensreiche Prinzip eines Landes,
über dem die Sonne in jener Periode immer
glühender aufging, um den Boden in eine Wü-
ste zu verwandeln. Die Sonne wurde zu einer
ungeheuren Gefahr, weil das Leben verdorrte,
und wir erkennen also deutlich, daß die Erde
um jene Zeit im Osten eine Verwandlung
durchmachte : Aus
einer dunstigen, schweren
und feuchten Periode von großer pflanzlicher
Üppigkeit geschah der Übergang zur Dürre,
und man mußte also zum Drachen beten und
den Drachen verehren, wenn man den Segen
der Pflanzenwelt und des Wassers wieder ge-
nießen wollte. Die Zeit der großen Feuchtig-
keit und Fruchtbarkeit hat bei den Chinesen
zweifellos den Eindruck eines goldenen Zeit-