Das Tier in der Religion, mit hundertzwei Abbildungen

In Mexiko haben alle Tierbeziehungen eine
Lebendigkeit erreicht, die eine ganz eingehen-
de Beschäftigung mit derMaterie nötigmacht,
auch ganz ungewöhnlich erschwert, weil die
Texte für uns noch immer keinen inneren Zu-
sammenhang gefunden haben, aber besonders
wohl deshalb nicht, weil wir die Typisierung
von Erscheinungen aller Art im Tier noch
nicht umfassend genug verstehen. Die eigent-
liche Tiersprache oder Ausdrucksweise durch
die Tiererscheinungen hat sich in Mexiko jahr-
tausendelang ganz ungestört entwickehi kön-
nen , und es kann uns in diesem Zusammenhang
nur interessieren, welche ältesten Beziehun-
gen zwischen den Menschen und Tieren dort
bestanden haben. Altes und Junges vonein-
ander zu trennen, ist aber außerordentlich
schwierig.
EUROPA.
T ch möchte nun den engeren Umkreis ziehen
und Europa, die kleinen Ausbuchtungen Indien,
Persien und Ägypten betrachten, um
schheßlich zum Zentrum der vorgeschichth-
chen Religionen vorzudringen.
DRACHE. In den ältesten Höhlenzeichnun-
gen etc. finden wir bisher keine Darstellung,
die auf ihn schüeßen läßt, und so kann man
sich auf einen kurzen ÜberbUck beschränken,
den uns die Länder bieten.
Homer gibt mehrfach Bericht vom Drachen.
Er ist riesengroß, geringelt und hat manche
Ähnlichkeit mit der Schlange. Sein Blick ist
furchtbar. Seine Farbe meistens dunkel, ab^r
auch regenbogenfarbig. Ein oder drei Köpfe.
Später hat das Ungeheuer meistens zwei Füße
und zwei Flügel, die denen der Fledermaus
entsprechen. Der Drache ist der Artemis hei-
lig und dem Bakchos, sowie dem Ares als Tier
des Krieges. Daß er das Kriegstier ist, wird
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tausendfach bestätigt, indem er auf den Stan-
darten der indischen Reiterei ebenso erscheint,
wie als japanischer Fahnenkopf. Ebenso aber
auch auf den Fahnenwagen und Fahnen der
skandinavischen und germanischen Fürsten,
als bei den Römern, deren Fahnenträger nach
ihm Draconarii heißen, was bei uns der Name
der Dragoner geworden ist. Auch hier mit dem
Pferd in engster Gegenpol-Beziehung.
Es sind zwei göttUche Erscheinungen des Mit-
telmeergebietes, die den Drachen besonders
vor ihrem Wagen haben. Medea und Demeter.
Medea möchte ich sprachlich als Dea Me oder
Dea-Mu wiedergeben, also als die Gott-Mut-
ter und sie ist daher völlig identisch mit De-
Meter, der Gott Mutter, deren Wagen von
Drachen gezogen wird, während sie Perse-
phone sucht.
Da nun weiter im Lande Kolchis ein Drache
das Goldene Vlies bewacht, und der Götter-
held Jason diesen Drachen tötet, aus dessen
Zähnen dann Krieger erwachsen, haben wir
in diesen knappen Angaben doch eine recht
ausführliche Legende, aus der man schon ei-
nige Klarheit gewinnen kann. Der Drache,
der in der Bibel als der Zerstörer alles Guten
geschildert und den bösen Machthabem ver-
güchen wird, also ein Tier der Unterwelt und
des Teufels ist, hat am Himmel seinen Stand
zwischen dem Großen und dem Kleinen Bä-
ren, und in der Mitte seines Schwanzes stand
vor etwa 5000 Jahren der ruhende Polstern
des Nordens. Der Nordpunkt ist nun der Sitz
der ewigen Mutter Medea, und vor ihrem Hau-
se lagert der Drache. Das Goldene Vlies, das
er bewacht, ist zunächst wegen der goldenen
Farbe ein Sonnenattribut. Als VHes muß es
nun wohl einem Widder gehören, und wir ha-
ben hier also einen goldenen Sonnenwidder.
Daß eine Vorstellung vorhanden war, nach