Das Tier in der Religion, mit hundertzwei Abbildungen

gab es nicht. Ein Jäger Okonorote schießt
eines Tags einen Vogel, fehlt, der Pfeil ver-
schwindet, ist nicht zu finden, und der Jäger
kommt an ein Loch, durch das der Pfeil ge-
fallen sein muß. Okonorote blickt hinab, sieht
eine Welt von Tieren,"Wildschweine und Rehe,
friedlich durch Prärien und Wälder streifen,
und er verfertigt aus Baumwolle ein langes
Tau und steigt mühevoll monatelang abwärts.
Er schießt ein Reh, macht Feuer und be-
schließt mit dem Rest des Bratens, der ihm
sehr gut schmeckt, wieder in den Himmel hin-
aufzusteigen. Er kommt zurück, seine Leute
beschUeßen, in dieses Land der größeren Beu-
te hinabzusteigen, und das geschieht, denn alle
sind jung und kräftig. Als sie unten sind, be-
merken sie, daß die einzige dicke Frau, die
mit ihnen lebte, im Loch steckengeblieben
ist, und da man fürchten muß, falls man sie
losbekommt, daß sie den, der sie freigemacht
hat, durch ihren Sturz töten wird, läßt man
sie oben, und da kann sie noch von allen ge-
sehen werden. Die Leiter zerriß.
Dieses Märchen gehört zunächst natürlich
nicht ausgesprochen in den Tierzusammen-
hang, und die Fassung ist zwar alt, aber nicht
die ursprüngliche. Die Übereinstimmung mit
den nordamerikanischen Sagen vom Nieder-
fallen vom Himmel auf die Erde will ich nur
kurz andeuten.
Die Menschen lebten also im Himmel und wa-
ren ewig jung. Der Himmel wird in ungeheu-
rer Entfernung von der Erde berechnet und
nur von Vögeln bewohnt. Daß da oben auch
Baumwolle für eine Strickleiter und Holz für
Pfeile und Bogen wächst, wird nicht erklärt.
Eine ungewöhnHch dicke Frau bleibt nach-
her als Sonne oder Mond am Himmel stehen,
und die normalen jimgen Menschen sind im
Vergleich zu ihr also die Sterne. Daraus kann
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sich nur ergeben, daß die Menschen der Erde
bei ihrem Tode an den Himmel versetzt wer-
den und dort weiterleben. Die Leiter, die zer-
bricht, sobald die dicke Frau oben sichtbar
stecken bleibt, ist der Regenbogen, auf dem
die Menschen hinunter gewandert sind.
Ein anderer Vorgang:
Eine verheiratete Frau verschwindet häufig
in den Wald. Der Mann sucht sie und findet,
daß die Frau jeden Tag zu einem männhchen
Faultier geht und es zärtHch streichelt und
Liebster nennt. Als dann der Mann hinter
einem Baum lauert, ist das Faultier böse,
kratzt und reißt sie am Haar. Danach tötet
der Mann das Faultier und die Frau geht nach
kurzem Schmerz zum Manne zurück. — Das
ist kein Märchen, sondernnur ein verwunderter
Bericht nach Tatsachen. Natürlich sind Tiere,
denen der Instinkt nicht schnelle Flucht vor
dem Menschen befiehlt, zu großer geschlecht-
licher Zuneigung fähig, und zu ebenso großer
Eifersucht, wenn sie irgendwie einen gleich-
geschlechthchen Gegner spüren. Ein Jagdvolk
wird tausend solche Beobachtungen machen,
und nur der Europäer, der Märchen sammelt,
findet in ihnen leider etwas, was er nicht ver-
steht.
Anderes Beispiel : Früher gab es zahllose Bie-
nennester mit Honig im Wald. Ein Mann
konnte solche Nester finden, wo sonst nie-
mand eins entdeckte. Eines Tags hieb er wie-
der einen hohlen Baum an und hörte eine
Stimme: Du tötest mich. Er öffnete sehr vor-
sichtig und fand eine schöne nackte Frau, der
er einen Lendengurt verfertigte. Sie wurde
seine Frau unter der Bedingung, daß er nie-
mals ihren Namen Maba nenne. Er behielt
seine Fähigkeit, Honig zu finden, während sie
den besten Honigwein braute, und wenn es
nur eine Schale voll war, die sie hatte, so