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der jeweilige Name. In dieser bescheidenen <strong>Zeit</strong> sagte man noch nicht<br />
Frau so<strong>und</strong>so, das hätte zu vornehm <strong>und</strong> großspurig geklungen!<br />
Ja, da hockten die zwei oft in unserem Hof auf der Steintreppe <strong>und</strong> hol-<br />
ten, wenn sie nichts mehr zuerzählen wußten, den Rosenkranz aus der<br />
alten abgetragenen Kutte <strong>und</strong> beteten flehentlich immerzu die gleiche<br />
Litanei zum Himmel, auf daß es ihnen am hungrigen Lebensabend nicht<br />
noch miserabler ergehen möge. Am Türrahmen zu der Schlafkammer<br />
unserer Großmutter hingen an einem großen Nagel, verschiedenerlei be-<br />
musterte solcher Dinger <strong>und</strong> daneben ein engelverzierter Weihwasser-<br />
kessel. Zualledem stand noch oben in der Ecke auf einer geschnitzten<br />
Konsole eine ansehnliche Herz-Jesu-Statue, davor eine Ölschale, wo das<br />
Ewige Lichtle für die armen Seelen brannte. Im Blickfeld hing einzln an<br />
der Kammerwand ein Prachtstück von Rosenkranz mit geschnitzten Per-<br />
len <strong>und</strong> leuchtenden Farben. Ganz kurz sein Lebensbild. Unser Vater<br />
brachte Bruder „Karlmann" nach Sankt Gallen zu einem Gärtner in die<br />
Lehre. Gleich nach Beendigung derselben machte er sich auf <strong>und</strong> ging zu<br />
Fuß über die Alpen nach Italien <strong>und</strong> landete in Rom. Bei der deutschen<br />
Botschaft bekam er gleich Arbeit als Gärtner. Dann bei einem Spazier-<br />
gang durch die Stadt kam er auch auf den Petersplatz <strong>und</strong> sah wie die<br />
Händler ganze Leiterwagenvoll von Heiligenbilder, Rosenkränze <strong>und</strong><br />
vieles andere mehr aufstellten, um es durch die Hand des Heiligen Vaters<br />
weihen <strong>und</strong> segnen zu lassen.Unser guter Karlmann dachte an die fromme<br />
Mutter daheim <strong>und</strong> kaufte einen der prächtigsten Rosenkränze <strong>und</strong><br />
sandte ihn nach Sulz um ihr Freude zu machen. Vor lauter Glückse-<br />
ligkeit kniete dann die Mutter vor der Herzjesustatue nieder <strong>und</strong> bete-<br />
te daran die ganzen „Gesetzle" für die armen Seelen. — Wie grausam<br />
<strong>und</strong> unvernünftig kann Religion auf ängstliche Seelen wirken <strong>und</strong> nicht<br />
einmal ein Wirt weiß mehr als ein Geistlicher, was sich alles so unter<br />
dem Menschengeschlecht zuträgt.<br />
Heute aber hat sich vieles verändert <strong>und</strong> ist manches verständlicher ge-<br />
worden. Es geht heute fast zu wie in einer Großstadt. Die Menschen gehn<br />
unbekümmert aneinander vorbei, jeder <strong>und</strong> jedes hat <strong>seine</strong> eigenen Proble-<br />
me. Gott', ist das eine Welt, wo offenbar alle nur an sich selber denken<br />
müssen. Wohl kaum noch springen Kinder einem „Geistlichen" entgegen<br />
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