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— Oh' du verreckti Hau —<br />
In früheren <strong>Zeit</strong>en, wenn einer noch etwas im Ranzen hatte, ging er in<br />
die „Fremde". Stephes Adolf ergriff auch einmal das Fernweh. Er<br />
schnürte sein Bündel <strong>und</strong> machte sich auf <strong>und</strong> davon. Kalrsruhe, Frank-<br />
furt waren <strong>seine</strong> Zwischenstationen bis er sich noch in die große Kaiser-<br />
stadt Berlin wagte. Das weltstädtische Leben in den breiten Straßen,<br />
packte ihn gewaltig <strong>und</strong> als er noch den „Parseval" über das Häuser-<br />
meer fliegen sah, kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Gleich<br />
auch stand er auf festem Boden <strong>und</strong> er konnte nach einem Jahr schon<br />
ganz perfekt berlinerisch quasseln. Wie es bei dem jungen Wuchs dort so<br />
üblich war, ließ er sich auch gleich eine „Petschaft" machen, womit er<br />
<strong>seine</strong>m in der Heimat verbliebenen Karolinchen herzzerreißende Liebes-<br />
briefe „versiegelt" ins stille Dörfle senden konnte. Diese so vornehm ver-<br />
siegelten Botschaften stachen auch dem jungen Postler Sepp in die<br />
Augen <strong>und</strong> es tat ihm immer ein bißchen im Herzen weh, wenn er der<br />
netten Karolina ein so geheimnisvolles Briefchen überreichen mußte. Der<br />
Karolina kamen immer die Tränen, wenn sie die glühenden Worte von<br />
ihrem über alles geliebten Adolf vernahm. Sehnsüchtige Briefe gingen hin<br />
<strong>und</strong> her von Sulz <strong>und</strong> der Weltstadt <strong>und</strong> das Heimweh nacheinander,<br />
wurde immer mehr zum Leid. Eines Tages plagte es ihn so sehr, daß er<br />
gleich <strong>seine</strong> sieben Sachen packte <strong>und</strong> urplötzlich wieder oben am Bühl<br />
in Erscheinung trat. Alles lief vor lauter Neugier zusammen <strong>und</strong> der<br />
Hermännle, sein alter Kamerad, war so vom Wiedersehn begeistert, daß<br />
er ausrief: ,,Wie der rede kann!"<br />
Vorerst kam dem Adölfli alles etwas fremd <strong>und</strong> ungewohnt vor <strong>und</strong> er<br />
hing im Zwiespalt des Berliner- <strong>und</strong> Sulzer Jargons. Als er dann mit dem<br />
,,Köksle"auf dem Haupt umherging <strong>und</strong> sich vom Vater alles ums Haus<br />
herum zeigen ließ, kamen sie auch in den Schopf. — Siehe da!, auch<br />
noch all das Feldgeschirr! Begeistert rief er aus: „Junge, Junge Vata, det<br />
is noch de olle ,hackende Pick' mit der ich mit der Jroßmutter, wees<br />
Jott, so vielemale habe mitloofe müsse uff de Jalgenberg." Als er dann<br />
ungeschickt mit de eene Been drauftappte <strong>und</strong> der Stiel im arg auf die<br />
Nase haute, rutschte ihm zum Teufel, im urwüchsigsten Sulzerditsch aus<br />
der Berlinerschnauze heraus: ,,Oh' du verreckti Hau!"<br />
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