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suchte, entdeckte ich überrascht, wie die zwei irdenen Häfen satt mit<br />
Hobelspänen vollgestopft waren. Gleich auch kam mir die Erleuchtung,<br />
daß die Frau die Späne ganz sicher zum Anfeuern benötige. Mich klei-<br />
nen Brotverdiener packte der heilige Zorn <strong>und</strong> ich sagte mir, die kann<br />
ihre Anfeuere selber im Wald holen, wie wir es auch tun müssen. Wie<br />
ein Fuchs schlich ich mich anderntags vorbei, ohne ihr Essen mitzu-<br />
nehmen.<br />
Wie muß dem armen Mann den ganzen Nachmittag über der Magen ge-<br />
knurrt <strong>und</strong> wohl noch nie sich so nach dem Feierabend gesehnt haben,<br />
wie gerade an diesem fatalen Tag. Um <strong>seine</strong> seelische Not zu empfinden,<br />
muß man jene bedürftige <strong>Zeit</strong> auch einmal im „Überfluß" unter die Lupe<br />
nehmen! In diesem <strong>Zeit</strong>abschnitt hatte wahrlich kaum ein „Fabrikler"<br />
am Wochentag ein paar Pfennige im Sack, um sich notfalls einen Wecken<br />
im Bäckerladen <strong>und</strong> dazu einen Teller Supp in einer Wirtschaft zu holen.<br />
Ich ahnte ja was auf mich zukomme <strong>und</strong> prompt auch kam am Abend die<br />
Frau, bleich <strong>und</strong> abgehärmt zu uns ins Haus gelaufen <strong>und</strong> klagte der<br />
Mutter ihr Leid. Mit Bangen erwartete ich hinter dem Versteck die Schel-<br />
te <strong>und</strong> ließ traurig alles über mich ergehen. Reuig mußte ich versprechen,<br />
so etwas „Arges" um der Muttergotteswillen, nie wieder zu tun. Bei aller<br />
Unbill die über mich kam, betrübte mich doch der Verlust des Träger-<br />
lohns, der von nunan zur Mutter gebracht wurde.<br />
Mißmutig mußte ich das Essen dem Mann weiterhin bringen <strong>und</strong> der Ma-<br />
dam ihre begehrten Hobelspäne ins Haus tragen. Heute jedoch will ich<br />
verstehen <strong>und</strong> nachfühlen, wie sich diese Leutchen in ihrer Armseligkeit<br />
an jeden Strohhalm klammerten. Gewiß werden sie lange schon von<br />
ihren Sorgen <strong>und</strong> Nöten erlöst sein <strong>und</strong> keiner Hobelspäne mehr bedür-<br />
fen. Ihrer Brotstelle in der Lahrer Werderstraße ging unterdessen auch<br />
der Atem aus. Kein Stein liegt mehr über dem andern <strong>und</strong> nichts, aber<br />
auch gar nichts, erinnert noch an die einstmals so gewichtige Stuhl-<br />
<strong>und</strong> Sesselfabrik Richard Ringwald. So schwindet alles unabänderlich<br />
hin. Menschen kommen <strong>und</strong> gehen, jeder Baum, Strauch <strong>und</strong> jegliches<br />
Geschöpf zerfällt <strong>und</strong> zersetzt sich ewiglich immer wieder zu neuem Le-<br />
ben. Wer dies erkennt <strong>und</strong> ohne Schmerz begreift <strong>und</strong> sich keine trügeri-<br />
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