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Zünderle" und seine Zeit

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Was uns die Alten noch vom „Stockbrunnen" erzählten<br />

Vor dem alten Kirchle, das 1864 abgerissen wurde, stand die steinerne<br />

„Strafbank". Frevler, Sünder <strong>und</strong> auch Mädchen, die ledig ein Kind<br />

bekamen, wurden da abgeurteilt. Der verachteten „Ungeschicklichen"<br />

wurden 66 <strong>und</strong> dem Bursch 33 Tage Arrest aufgebrummt. Männer mit<br />

schwereren „Untaten" wurden zum Gelächter anderer, heftig ausge-<br />

peitscht. Einmal soll es passiert sein, daß sich einer nach der Tortur, zur<br />

Linderung der Schmerzen, am alten Dorfweg wehleidig in die Brennes-<br />

seln setzte. Nur der Kopf lugte noch heraus <strong>und</strong> als Lohrer Neugierige,<br />

die auch einmal so ein makabres Schauspiel erleben wollten, vorbei-<br />

kamen <strong>und</strong> den Kopf des Mannes erblickten, fragten sie diesen, ob sie<br />

noch zurecht kämen? Der sagte; ,,Nei', s'ischschu vrbi,aweribin d<strong>und</strong>erni<br />

noch z'recht kumme."<br />

Die Erinnerung meiner Kindheit ist mir immer gegenwärtig <strong>und</strong> so will<br />

ich noch gerne vom Kirchenplatz mit den einmal so blühenden Kasta-<br />

nienbäumen <strong>und</strong> einer aufregenden Geißenjagd erzählen.<br />

Lange ist es her, als wir Kinder unterm Kastanienbaum mit den aus der<br />

Schale gesprungenen, glänzenden Kugeln unsere abendliche, freie <strong>Zeit</strong><br />

vertrieben. Was gab es da immer ein freudiges Rennen <strong>und</strong> Jagen, wenn<br />

diese stacheligen Gebilde auf die Erde fielen. Mit den Stengeln machten<br />

wir Brillen <strong>und</strong> liefen damit wie gelehrte Professoren auf dem Kirchplatz<br />

herum. Bis zum Betzeitläuten hatten wir uns im Eifer heiß gerannt <strong>und</strong><br />

alle Hosensäcke vollgestopft. Beim hastigen Nachhausespringen — da-<br />

mals rannten alle Kinder heim, wenn es anfing zu läuten —, kullerte wie-<br />

der die Hälfte davon, was uns dann zu Hause im stillen arg betrüben<br />

konnte. Jahr um Jahr erlebte die Dorfjugend immer das wiederholende,<br />

frohe Spiele. Damals, vor über h<strong>und</strong>ert Jahren, als das Bäumle auf den<br />

Platz gesetzt wurde, hatten sicher auch unsere Großväter ihre Freude<br />

daran <strong>und</strong> vielleicht wer weiß es, waren auch der "Bartlandle", der<br />

„Grischortel" <strong>und</strong> mein Großvater der „Träschle", mit der Schaufel<br />

dabei. Jedenfalls aber war sich dann das Bäumle selbst überlassen <strong>und</strong><br />

mußte suchen, wo es Nahrung fand. So wuchs es heran bei Sturm <strong>und</strong><br />

Wetter zu einen großen, starken Baum. Seine Wurzeln fraßen sich unter<br />

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