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Ein tolles Erlebnis mit einer Geiß erinnert auch noch an die schon<br />
erwähnte Judenzeit. Während wir Buben <strong>und</strong> Mädchen uns wild um die<br />
Kastanien stritten, kam der „Mareks" mit einer Geiß vom Gäßli hergelau-<br />
fen. Wir Barfüßler, die wir seither glückselig unter den Bäumen herum-<br />
hopsten, blieben alle überrascht stehen <strong>und</strong> gafften die arme Geiß mit<br />
den krummen Hörnern an. „Nu, wem gehört ihr Buewe", wollte er erst<br />
wissen <strong>und</strong> fragte dann, ob ihm nicht einer die Geiß nach Kippenheim<br />
bringen wolle. Mein Bruder Robert, der schon immer gern fuggerte, ver-<br />
handelte gleich über den Lohn, den er für diesen sonderlichen Fall spen-<br />
diert bekäme. Nu, meinte der Mareks gütig: „Zwanzig Pfennig kansch<br />
schu verdiene, aber erst wenn du sie bei mir daheim hast."<br />
Handelseinig nahm der Robertle sie an die Hand <strong>und</strong> versprach mir die<br />
Hälfte, wenn ich hinterher treibe. Die verängstigte Geiß bangte offenbar<br />
um ihr Leben <strong>und</strong> wollte lieber wieder zurück in den heimischen Stall.<br />
Nur mit Zwang, ich mußte wie verrückt hinten schalten, brachten wie sie<br />
die Heitergaß hinauf. Auf der andern Seite den Berg hinunter ging sie<br />
eine Weile williger, erst unten an der Landstraße fing sie wieder zu bok-<br />
ken an <strong>und</strong> wir brachten das Tier keinen Schritt weiter. Gut war nur,<br />
daß es noch keine Autogefahr gab <strong>und</strong> auch nur vereinzelt Fuhrwerke<br />
unterwegs waren. Alles schmeicheln <strong>und</strong> drängen half nicht. Den Robert<br />
traktierte sie zornig mit den Hörnern, riß sich los <strong>und</strong> suchte das Weite.<br />
Was wir nur konnten, rannten wir der Wildgewordenen nach <strong>und</strong> erst<br />
unten auf der „Freimatt", am Bahnwärterhäusle, konnten wir sie mit<br />
Hilfe des Bahnwärters wieder einfangen.<br />
Abgehetzt mußten wir erst wieder den langen Weg zur Landstraße zu-<br />
rück <strong>und</strong> kamen, als es schon dunkel war, mit der Geiß in Kippenheim<br />
an. Leute am Weg fragten wir wo eigentlich der Mareks wohne <strong>und</strong><br />
fanden das Haus nahe der Kirche. Eine ganze Weile lotterten wir an dem<br />
verriegelten Hoftor, bis uns die verscheuchte Frau aufmachte. „Um Got-<br />
tes Willen" rief sie aus, „von wo kommt ihr Buewe nur her, die Geiß<br />
isch jo tropfnaß, die dampft wie ä Wäschkessel!" Aber gütig versorgte<br />
sie uns mit Milch <strong>und</strong> Matzebrot <strong>und</strong> gab die versprochenen 20 Pfennig,<br />
die uns wohl noch am meisten interessierten!<br />
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