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gab es doch noch keine fragwürdigen Papierscheine. Nur Gold, Silber,<br />
Nickel <strong>und</strong> Kupfermünzen waren die Zahlungsmitel. Und wer immer<br />
an die Zukunft dachte, überkam das Grauen vor den alten Tagen <strong>und</strong> so<br />
wurde jung schon gespart <strong>und</strong> gespart.<br />
Wie enttäuscht <strong>und</strong> hilflos standen sie aber vor dem Nichts, als ihnen die<br />
Inflation die letzten Groschen ruchlos raubte. Listig hielten sie, die durch<br />
den Krieg noch reicher gewordenen Magnaten, dem verarmten Volk, an-<br />
statt Geldentwertung, das fremde Wort „Inflation" vor die vernebelten<br />
Augen!! Keiner der Enttäuschten, der in schlaflosen Nächten über den<br />
vom M<strong>und</strong> abgesparten Notgroschen nachgrübelte, konnte ahnen, daß er<br />
schon rechtlos vor dem kalten Nichts stand!<br />
Im August, des verhängnisvollen Jahres 1914, wagte sich ohne Skrupel,<br />
der von Gottesgnaden auserkorene, mächtige <strong>und</strong> großsüchtige Kaiser<br />
Wilhelm II auf den Balkon <strong>seine</strong>s Schloßes im Berlin <strong>und</strong> rief <strong>seine</strong>m un-<br />
tertänigen Volk zu: „Gott hat uns das Schwert in die Hand gedrückt.<br />
Jetzt knieet nieder <strong>und</strong> betet mit Gott für Kaiser <strong>und</strong> Vaterland." Vier<br />
Jahre, nach dem völligen Zusammenbruch <strong>seine</strong>r gottbegnadeten Herr-<br />
schaft, flüchtete dieser hemmungslose Hasardeur feige nach Holland <strong>und</strong><br />
ließ sich obendrein noch von dem ausgebluteten, verarmten Volk acht-<br />
zehn Millionen, ganz echte Goldmark, schamlos nachschicken. Das soll-<br />
te das Opfer für die unrühmliche Abdankung sein!<br />
Hatte unser Dorf mit <strong>seine</strong>n 1500 Seelen noch 65 Tote <strong>und</strong> Vermißte,<br />
so erhöhte sich dieser makabre Blutzoll ein viertel Jahrh<strong>und</strong>ert später im<br />
Zweiten Weltkrieg, geradezu über das doppelte. Welch ein Hohn auf<br />
Gott <strong>und</strong> die Menschheit! Tief noch wurzelte der Ungeist in der mensch-<br />
lichen Seele, das darf man wohl sagen <strong>und</strong> immer wieder bedenklich in<br />
Erinnerung bringen.<br />
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