28.10.2013 Aufrufe

Zünderle" und seine Zeit

Zünderle" und seine Zeit

Zünderle" und seine Zeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

zen auf dem Dach vor. Hei, war das ein ungezwungenes Leben! Die<br />

Eltern waren auch nicht gar so streng wie sonst <strong>und</strong> viel nachsichtiger<br />

<strong>und</strong> versöhnlicher. Wild <strong>und</strong> übermütig streiften wir im Wald herum auf<br />

der Suche nach einem „Maidöldili" <strong>und</strong> hatten wir ein schönes gefun-<br />

den, wurde es gezeichnet <strong>und</strong> scharf im Auge behalten bis kurz vor dem<br />

Fest. Spitzbübisch freuten wir uns, wenn wir dann beim Abhauen vom<br />

listigen schlauen ,,Demus" nicht erwischt wurden!<br />

Hopsten wir an den Abenden noch am Rain herum, kam auch s'Weige<br />

Hermännle mit einem noch seltenen Zigarrenkistle <strong>und</strong> zeigte uns ganz<br />

wichtig, die w<strong>und</strong>erschönen farbigen Zuckerbrötle, die er immer beim<br />

Einkaufen ins Bauerskrämerladen erhielt. Vor lauter ungestümer Freude<br />

hopste er von einem Bein auf das andere <strong>und</strong> zählte <strong>und</strong> zählte, wieviel<br />

er schon da drinnen zum aufhängen an den Christbaum habe. Der Her-<br />

männle war dabei immer so rührig aufgeregt <strong>und</strong> wir glaubten als, daß<br />

er vor lauter Freude noch in die Hose brunze. Alle stellten wir uns um<br />

ihn herum <strong>und</strong> glotzten neugierig <strong>und</strong> auch ein bißchen neidisch in sein<br />

allerheiligstes Kistle. Oh' arme <strong>und</strong> doch so selige Kinderzeit, wo ein<br />

Zigarrenkistle mit ein paar farbigen Zuckerbrötle noch so das Gemüt<br />

bewegen konnte.<br />

Unser Kamerad Hermännle war immer ein gewichtiges Rädchen in<br />

unserer Feierabendzeit. Einmal hatte er einen Milchhafen in der Hand<br />

<strong>und</strong> führte uns, wie ein Edison, ein fast unglaubliches Zauberwerk vor.<br />

In den Hafenboden bohrte er heimlich ein Loch, füllte den Hafen mit<br />

Wasser auf <strong>und</strong> legte die Hand oben drauf. Wie ein indischer Fakir stolzte<br />

er zu uns her, zog die Hand oben weg <strong>und</strong> wie ein Brünnle lief unten das<br />

Wasser heraus. Wo das Bürschle diese wissenschaftliche Vakuum-Theorie<br />

hernahm, ist mir heute noch ein Rätsel, drückte er doch, wie wir alle<br />

<strong>seine</strong> Kameraden, nur die dürren Holzbänke der Sulzer Hochschule!<br />

Als Stellvertreter <strong>seine</strong>s Vaters hatte er täglich die Kirchenuhr aufzu-<br />

ziehen. Selbstbewußt rasselte er mit den mächtigen Kirchenschlüsseln<br />

am großen Eisenring um anzuzeigen wer jetzt mitgehen wolle. Diese<br />

Tour war immer ein belangvolles Unternehmen <strong>und</strong> reizte jedes Mal<br />

zum Gang. Schon beim Hinaufsteigen auf die Orgelbühne, die sonst bei<br />

der Sonntagsmesse nur den „Ledigen" zugeordnet war, fühlten wir uns<br />

54

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!