Lutetia Stubbs - Matthias Czarnetzki
Lutetia Stubbs - Matthias Czarnetzki
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Marx hatte in einem der Ställe, der früher einmal als<br />
Schmiede gedient hatte, das notwendige Spezialwerkzeug<br />
gefunden - einen Vorschlaghammer. Feinarbeit war nicht<br />
seine Spezialität. Sicher schwebte ihm in seiner Phantasie<br />
eine raffiniert versteckte Geheimtür vor, die sich nahtlos in<br />
die Ziegelwand einfügte und sich nur öffnete, wenn man in<br />
der richtigen Reihenfolge drei Kieselsteine umdrehte - auf<br />
der anderen Seite machte Marx sich keine Illusionen über<br />
sein Können. Ein Loch musste für den Anfang genügen.<br />
Einfach und ohne Schnörkel.<br />
Mit dem Vorschlaghammer in der einen und einer Taschenlampe<br />
in der anderen Hand ging er in den Keller. Für den<br />
Eingang hatte er die westliche Seite der Kammer gewählt,<br />
die sich nur über Umwege erreichen ließ. Er begann, Barrieren<br />
und Hindernisse aufzubauen, die neugierige Forscher<br />
entmutigen sollten. Gleichzeitig blieb es leicht genug für<br />
ihn, durch eine geschickte Drehung einen kleinen Gang zu<br />
schaffen, der zur eigentlichen Kammer führte. Dann gelang<br />
ihm ein nahezu genialer Trick: in einer der Kellernischen<br />
fand er einen massiven, abschließbaren Eichenschrank, den<br />
er mühsam vor einen der schmalen Durchgänge zwischen<br />
den Verschlägen schleppte und dessen Rückwand er mit<br />
ein paar wuchtigen Hammerschlägen entfernte - dass es<br />
sich bei diesem Möbelstück um eine Antiquität handelte,<br />
deren Wert ihm ein paar Jahre sorgloses Leben ermöglicht<br />
hätte, kam ihm nicht in den Sinn. Den Schlüssel steckte er<br />
ein und betrachtete zufrieden sein Werk. Wie im Märchen<br />
konnte er jetzt durch den Schrank in seine eigene, ganz<br />
persönliche Welt gelangen. Dann wandte er sich seinem<br />
eigentlichen Ziel zu.<br />
≫Hallo George≪ sagte <strong>Lutetia</strong>, als sie gegen Mittag auf<br />
dem Friedhof erschien. Verschiedene Anzeichen verrieten,<br />
dass George sie erwartet hatte: die Bügelfalten seiner Hose<br />
waren so scharf, dass er damit jemandem die Kehle durchschneiden<br />
konnte, sein weißes Hemd wurde von Insekten<br />
umschwärmt, die die Sonne aus den Augen verloren hatten<br />
und in seinen polierten Lackschuhen überprüfte <strong>Lutetia</strong><br />
noch schnell ihr Aussehen. Er hatte sich eine Blume ins<br />
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