Lutetia Stubbs - Matthias Czarnetzki

≫Er ist verschwunden.≪
≫Abgereist ohne die Sachen mitzunehmen?≪ vermutete
Lutetia. Sie konnte auf Georges Gesicht sehen, wie seine
Gedanken sich ineinander verschoben, um einen Sinn in
der Frage zu finden. ≫Hat er sich aus dem Staub gemacht
oder wurde er abgewählt?≪
≫Niemand wurde abgewählt. Wer Bürgermeister ist,
bleibt es bis zum Tod. Auf die eine oder andere Art.≪ Lutetia
analysierte den Satz. Etwas blieb unklar.
≫Auf die eine oder andere Art Bürgermeister oder
sterben?≪
≫Sterben. Aber ich habe noch eine Überraschung!≪ rief
George fröhlich. Der Umschwung traf Lutetia unerwartet.
≫Besser als das hier?≪
≫Ja.≪ Und er führte sie zum Ende des Ganges, wo er ein
weiteres Tor öffnete.
Sie standen am oberen Ende einer breiten Wendeltreppe,
die in die Tiefe führte. Die Fackel, die George in der Hand
hielt, erhellte gerade die oberen Meter einer gewaltigen
Grube. Wie weit es runterging, konnte sie nicht sagen. An
den Wänden waren Knochen gestapelt - penibel sortierte
Schädel, Becken, Brustkästen mit Wirbelsäulen und ohne,
anschließend Oberschenkelknochen und so weiter bis zu den
winzigen Ohrknöchelchen. Es war ein atemberaubender
Anblick.
≫Das müssen tausende sein!≪
≫Zehntausende. Das Tal der Toten. Jeder Mensch, der in
Borough gestorben ist. Seit über tausend Jahren.≪ Lutetia
drehte sich zu George um.
≫Das ist beeindruckend.≪
≫Ja. Die Kelten haben in diesem Tal schon ihre Toten
begraben. Jemand hat es später überdacht. Und dann
wurde es vergessen.≪
In ungleichen Abständen war das Muster der Knochen
durch schwarze, eisenbeschlagene Türen unterbrochen.
≫Es sind Gänge, die zu fast allen Teilen der Stadt
führen≪, erklärte George. ≫Niemand weiß, wer sie gebaut
hat und keiner benutzt sie. Die wenigsten wissen davon
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