Frieden im Fokus - Ziviler Friedensdienst
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eignis, obwohl meist nur ein einfacher Pappkarton als Wahlurne<br />
dient – hat sie in den Dörfern auch verschiedene „Literacy-Classes“<br />
besucht, Kurse, in denen Erwachsene lesen,<br />
schreiben und rechnen lernen. Auch sie werden von UN-Habitat-Trainern<br />
geleitet und finden <strong>im</strong> Rahmen des „Literacy<br />
and Community Empowerment Programme“ (LCEP) statt,<br />
einem weiteren Programm, bei dem UN-Habitat als Partner<br />
fungiert. In den Dörfern erfreuen sich diese Kurse derartiger<br />
Beliebtheit, dass sie von den Dorfentwicklungsräten oft als<br />
NSP-Projekte beantragt werden. Und das hat Katja Richter<br />
auf eine weitere geniale Idee gebracht.<br />
Mitgedacht<br />
Was Katja Richter in den Dörfern an Heißhunger auf Bildungsmaterial<br />
entgegenschlägt, ist schier überwältigend. „Da<br />
sitzen 25 Leute auf wenigen Quadratmetern, mit glühenden<br />
Gesichtern und leuchtenden Augen und lernen alles, was<br />
ihnen geboten wird. Sie sind wie trockene Schwämme, die<br />
das Wenige, was es gibt, eifrig aufsaugen. Die Lehmwände<br />
der engen Räume sind voll mit selbst gemachten Gedichten,<br />
Buchstaben und Rechenformeln“, sagt sie, und dann: „Das<br />
ist schon ergreifend. Zumal vor allem die Frauen ihre neuen<br />
Schreibfähigkeiten oft nutzen, um das Erlebte aufzuschreiben<br />
und zu verarbeiten – es ist ihre Art der Traumabewältigung.<br />
In Herat erzählte mir eine Frau, sie habe bei einem<br />
russischen Luftangriff ihre gesamte Familie verloren, und es<br />
sei ihr seitdem <strong>im</strong>mer schlecht gegangen. Jetzt habe sie über<br />
das Erlebte geschrieben und es öffentlich ausgehängt, und es<br />
gehe ihr deshalb viel besser.“<br />
Umso bedauerlicher ist es, dass die Zukunft des LCEP, das<br />
bislang von United States Agency for International Development<br />
(USAID) finanziert wird, momentan in den Sternen<br />
steht. Doch die Menschen in den Dörfern haben ein<br />
so großes Bedürfnis, die Leere nach dem Krieg wieder zu<br />
füllen, dass sie die „Literacy-Classes“ zur Not auch ohne offizielle<br />
Hilfe weiterführen wollen. Was dafür vor allem anderen<br />
fehlt, ist neues Material. „Es gibt nur ein Lesebuch mit<br />
Geschichten, das <strong>im</strong> Rahmen des LCEP entwickelt worden<br />
ist, und das sich inzwischen zu einer regelrechten „Bibel“<br />
entwickelt hat“, erzählt Katja Richter. „Deswegen habe ich<br />
überlegt, dass ich den Klassen doch auch mein Material zur<br />
Verfügung stellen könnte. Bei meinem Besuch in Herat habe<br />
ich gesehen, dass die Lehrmaterialien auch in den Familien<br />
herumgereicht und diskutiert werden. Es wäre doch toll,<br />
wenn das auch mit meinem Material zur Konflikttransformation<br />
gemacht würde.“ Dass damit wiederum ein Mehr an<br />
Arbeit verbunden ist, ist für sie völlig nebensächlich: „Da<br />
müssten ja nur die Texte etwas vereinfacht werden – ein<br />
ziemlich geringer Aufwand, wenn man bedenkt, was man<br />
damit bewirken kann.“<br />
Überhaupt stelle ich <strong>im</strong> Gespräch <strong>im</strong>mer wieder fest,<br />
wie sehr Katja Richter die Menschen, mit denen sie arbeitet<br />
und der Auftrag, den sie bei UN-Habitat erfüllt, am Herzen<br />
liegen. Sich nach den vorgesehenen zwei Jahren einfach<br />
aus dem Kabuler Staub zu machen, kommt deshalb für sie<br />
auch nicht in Frage. „Peace-Building ist eine langfristige<br />
Angelegenheit, und ich kann ja die Leute nicht mitten <strong>im</strong><br />
Projekt einfach stehen lassen“, sagt sie schlicht. Ich stelle es<br />
mir trotzdem schwierig vor, in einem Land zu leben, wo die<br />
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