Frieden im Fokus - Ziviler Friedensdienst
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Bethlehem, 2003. Die Einwohner der Stadt wollen nichts<br />
mehr sehen, nichts hören, nichts wissen. Auf die Frage „Wie<br />
geht’s?“ kommt nicht selten die Antwort „Sai il Ama“ – „wie<br />
Blindheit“. Denn wenn über Bethlehem die Dämmerung<br />
in den Morgen kriecht, dann erhebt sich am Horizont die<br />
bedrohliche Silhouette der israelischen Sperranlage – Stein<br />
gewordenes Dokument des inzwischen Jahrzehnte andauernden<br />
Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern.<br />
Zoll um Zoll blockiert die über acht Meter hohe Mauer die<br />
Hauptstraße, die ins Herz der Stadt führt. Und noch bevor<br />
der Tag beginnt, fängt sie an, ihre Schatten zu werfen, Schatten<br />
der Aggression, der Gewalt, des Misstrauens.<br />
Ein gewisses Misstrauen ist <strong>im</strong>mer da, obwohl die Einwohner<br />
Bethlehems sehr gastfreundliche Menschen sind und<br />
Fremde stets mit Neugier und Herzlichkeit willkommen heißen.<br />
Der blonde Europäer etwa, der heute zum wiederholten<br />
Mal in Mahmouds Gemüseladen kommt, sieht nett aus, vielleicht<br />
ist er aber auch ein Spitzel. „Bist du ein Verräter oder<br />
stehst du auf unserer Seite?“, will Mahmoud deshalb von ihm<br />
wissen. Eine Frage, die der blonde Europäer in den nächsten<br />
zwei Jahren noch ziemlich oft hören wird. Er heißt Matthias<br />
Wittrock, ist Politologe und Islamwissenschaftler und hat<br />
soeben sein Quartier in Bethlehem bezogen. Im Rahmen des<br />
Zivilen <strong>Frieden</strong>sdienstes soll er hier bis 2005 für das Center<br />
for Conflict Resolution and Reconciliation (CCRR), einem<br />
Zentrum für Konfliktbewältigung und Versöhnung, arbeiten.<br />
Keine einfache Aufgabe, wenn man bedenkt, dass Israel<br />
und die Palästinenser von einer „Versöhnung“ <strong>im</strong>mer noch<br />
weit entfernt sind.<br />
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