Frieden im Fokus - Ziviler Friedensdienst
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der Stadthalle oder aber bei Besuchen in den abgelegenen,<br />
nebelumhüllten Bergdörfern, die größtenteils nur in einem<br />
mehrstündigen Fußmarsch zu erreichen sind – eine sportliche<br />
Herausforderung. In Minalwang, wo fast ausschließlich<br />
Higaonon leben, hat sie inzwischen eine permanente<br />
Schlafstätte <strong>im</strong> „Tulugan“, dem neuen Stammeshaus, das mit<br />
DED-Geldern fertig gestellt wurde und für die traditionelle<br />
Konfliktschlichtung eine besondere Rolle spielt. „Es ist ganz<br />
wichtig, dass es einen festen Ort gibt, an dem die Higaonon<br />
ihr traditionelles Recht praktizieren können“, erklärt sie<br />
mir, „weil durch die Existenz dieses Ortes Konflikte, die die<br />
Anwendung des traditionellen Rechts erfordern, ernster genommen<br />
werden.“<br />
Bei den Higaonon können viele Vergehen durch Vergebungszeremonien<br />
gesühnt werden, von Bagatelldelikten bis<br />
hin zum Mord. Und je stärker diese traditionelle Rechtsprechung<br />
praktiziert wird, desto besser: Nicht nur wird dem<br />
Schuldigen so eine möglicherweise mehrjährige Gefängnisstrafe<br />
erspart, sondern gleichzeitig werden auch die Gerichte<br />
entlastet. Schon seit 1991 gibt es zu diesem Zweck, wie ich<br />
lerne, überall auf den Philippinen die so genannten „Lupon<br />
Tagapamayapa“, Mediationskomitees auf Bezirksebene, die<br />
sich nach Kommunalrecht um Bagatelldelikte kümmern.<br />
„Wenn es daneben auch ein Stammeshaus gibt, wo Konflikte –<br />
auch schwerwiegendere – auf traditionelle Art verhandelt<br />
werden können, dann ist das für die Gerichte natürlich noch<br />
eine zusätzliche Entlastung“, sagt Annette Braun. Das Tulugan<br />
in Minalwang ist auf jeden Fall ein voller Erfolg: Als<br />
Dreh- und Angelpunkt des kulturellen Lebens ist es inzwischen<br />
zu einem symbolischen Ort geworden, an dem Hi-<br />
gaonon-Traditionen gelebt und erhalten werden können.<br />
Neben Verhandlungen nach traditionellem Recht werden<br />
hier zukünftig auch Kurse in volkstümlichem Brauchtum<br />
stattfinden – von Konfliktmanagement und Ackerbaumethoden<br />
bis hin zu Stammestanz und Kunsthandwerk. Eine<br />
wichtige Maßnahme vor allem auch deshalb, weil mit einem<br />
kulturell gestärkten Selbstbewusstsein auch die Handlungsfähigkeit<br />
der Gemeinde wächst.<br />
Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortung der Barangays<br />
stehen ebenso <strong>im</strong> Zentrum eines weiteren Projekts,<br />
das Annette Braun und ihr Team in Claveria in Angriff genommen<br />
haben: die Einbeziehung der „Barangay-Captains“,<br />
also der Bezirksvorsteher, in die Erhebung der kommunalen<br />
Grundsteuer. „Dazu muss man wissen, dass Claveria ungefähr<br />
40 000 Hektar groß ist, was die Erhebung der Grundsteuer<br />
für die Beamten der Stadtverwaltung schon aus geografischen<br />
Gründen schwierig macht“, erklärt sie. „Nur etwa<br />
30 Prozent der geschätzten Grundsteuer können momentan<br />
eingetrieben werden, und selbst das ist sehr kosten- und zeitintensiv.<br />
Für einen eingetriebenen Peso müssen knapp neun<br />
Pesos ausgegeben werden. Deshalb ist es wichtig, die Barangay-Chefs<br />
in den Prozess der Grundsteuererhebung aktiv mit<br />
einzubeziehen. Sie sind vor Ort und haben die Grundstücksverhältnisse<br />
besser <strong>im</strong> Blick, sodass ihre Einbeziehung auf<br />
lange Sicht für beide Seiten gewinnbringend ist. Immerhin<br />
fließen etwa 25 Prozent der eingenommenen Grundsteuer<br />
zurück an die Bezirke.“ Zudem können auf diese Weise<br />
Konflikte vermieden werden, weil der Prozess des Gebens<br />
und Nehmens zwischen Kommune und Bezirk transparenter<br />
wird. Im Alleingang kann Balay-Mindanaw dieses Projekt<br />
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